Der bissige Hundt

Ich schaue auf das Bild im Handelsblatt. Ein Portrait mit Schultern - Schwarzer Anzug, weißes Hemd rot gemusterte Krawatte. Der Blick energisch - jedoch an der Kamera vorbei. Das ist eines jener Portraits, die dich nicht anschauen. Zu wem auch immer er schaut, er scheint etwas wichtiges zu sagen. Mit der Geste der rechten Hand posiert er als Prediger in der Rolle des Arbeitgeberpräsidenten. Die grauen nach hinten gebürsteten Haare, das Doppelkinn - uups es fällt schon zusammen und in manchen Situationen erinnert es an eine Vagina - das kollabierende Doppelkinn also unterstreicht das wichtigste Attribut das der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt in diesen Tagen auszeichnet. Scheidend. Um so energischer ist sein Auftritt und zwei Punkte bringt er gegen jene Menschen entgegen, die für ihn vor allem eines sind: Kostenfaktoren.

Punkt eins: Der Mindestlohn. 

Hundt vermittelt sein Bild ist einer solitär wirkenden Arbeitskraft. Das heißt einer Arbeitskraft, die nicht in einem betrieblichen Zusammenhang im Team eine Teamarbeit hervorbringt, die am Markt verkauft wird, und von der jeder im Team seinen fairen Anteil bekommen sollte. Nein! Sein Bild beschreibt eine Arbeitskraft die für sich allein eine bestimmte Produktionskraft hat. Dieser Produktionskraft setzt er einen angenommenen Mindestlohn entgegen und unterstellt den schwächsten dieser Produktionskräfte, das sie diesen Mindestlohn in einer hochindustrialisierten Gesellschaft nicht erreichen können. Nun das wäre richtig, wenn diese schwächsten Produktivkräfte tatsächlich den ganzen Tag nix anderes Täten als ihre Angelrute in die Wupper zu halten und irgendwann später ihre geangelten Forellen am Elberfelder Wochenmarkt verkaufen wollten - und dafür dann 8 Euro Fuffzig die Stunde kassieren wollen. Da kostet eine Wupper-Forelle am Ende 60 Euro. Wer sollte das bezahlen? Niemand!
Und Niemand ist es auch, der so sein Geld verdienen wollte. Angeln ist ein Hobby, wie Gärtnern und was es noch für nette Beschäftigungen gibt, die zwar etwas produzieren, wo aber nicht das Produkt im Vordergrund hervorragt, sondern die Tatsache des erholsamen Zeitvertreibs.
Jemand der heute in einem Betrieb arbeitet ist Teil eines wirtschaftlich agierenden Systems. Klar er/sie ist ersetzbar. Und er/sie wird ersetzt, wenn es nicht mehr richtig klappt. Aber solange jemand seine Arbeit einbringt, wird diese Arbeitskraft produktiver Teil eines ganzen sein. Und das ist in den meisten Fällen ein vielfaches von achteurofuffzig die Stunde.
Der Hundtsche Trick, die Arbeitskraft losgelöst vom sozialen und betrieblichen Zusammenhang als solitär wirkende Einheit zu sehen, verfängt bei der Gegenargumentation der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Auch sie hinterfragt nicht die Herabsetzung der betriebswirtschaftlichen Leistung eines Niedrig-Löhners im Produktions-Zusammenhang, nimmt die Minderleistung von weniger als 8,50 vielmehr als gegeben hin, und argumentiert statt dessen volkswirtschaftlich: Der Mindestlohn stelle Gerechtigkeit für redlich agierende Unternehmen am Markt her, sei daher wirtschaftlich sinnvoll und überhaupt gehe es um soziale Gerechtigkeit. Betriebsblindheit mangels Einsicht in den Betrieb zeichnet diese Generalsekretärin einer angeblichen Arbeiter-Partei aus.
Hundt nennt die Schwächsten beim Namen: Berufsanfänger, gering Qualifizierte, Langzeitarbeitslose und stellt jeden dieser Anfänger und Anlernlinge in einen Betrieb. Sagen wir eine Werkzeugfabrik. Dort gibt es Jobs, die so gut wie jeder machen kann, wenn man es ihm sagt: "Ey fahr' mal die Kiste mit den Zangen ins Lager und sag' dem Meister, dass nachher noch mal so 'ne Ladung kommt." Wenn Ey vorher schon einmal eine Kiste ins Lager gefahren hat, macht er das beim Zweiten mal genauso gut oder schlecht wie der andere Ey, der den Job schon 10 Jahre macht. Der Punkt ist, auch diese einfachen Tätigkeiten sind eingebunden ins betriebliche Ganze. Sie gehören zum betrieblichen Ablauf, sind wichtig, denn wenn die Zangen in der Produktion stehen bleiben ist bald Schluss mit Produktion. Ganz egal wie teuer die Maschinen dort waren, oder wie hochqualifiziert die Ingenieure sind, die den Laden leiten. Jede Arbeitskraft ist dort in ihrer Funktion produktiv. Wenn dies nicht so wäre würde der Laden dicht machen. Es gibt keine Rechtfertigung für extrem niedrige Löhne, wie sie von Hundt gefordert werden.
Außer der einen, die ziemlich zynisch ist: Es gibt am Markt zu wenig Nachfrage nach Arbeit und zuviel Angebot an Arbeit. Da heißt als Einkäufer von Arbeit hast du einen paradiesischen Zustand. Du bekommst Arbeitskraft zum billigsten Preis, weit unterhalb von achteurofuffzig und kannst ein vielfaches von achteurofuffzig aus dieser Arbeitskraft raus-schlagen.

Punk zwei: Hartz IV Hinzuverdienste

Bei den Anrechnung der Hinzuverdienste gilt bisher 100 Euro darfst du als Hartz IV'ler hinzuverdienen, darüber hinaus wird der Hinzuverdienst über einen Schlüssel mit dem Regelsatz verrechnet. Würdest du heute 200 Euro zum Hartz IV hinzu verdienen, bekämst du 140 Euro ausbezahlt. Generell gilt zur Zeit: Vom Bruttoeinkommen zwischen 100 und 800 Euro bleiben dem ALG II Empfänger 20 Prozent.
Hundt sieht hier folgendes Szenario. Der langzeitarbeitslose "Minderleister" sucht sich zu seinem Hartz IV einen Minijob und richtet sich so langfristig in die soziale Hängematte ein.
Um es an dieser Stelle kurz zu machen: Dem Arbeitslosen, der mit einem Regelsatz von 385 Euro im Monat nicht auskommen kann, weil das einfach zu wenig ist, bleibt nix weiter übrig als nach Jobs zu suchen. Was ihm dabei vor allem angeboten wird sind Minijobs, denn diese sind für Leute, die Arbeitskraft kaufen besonders günstig. In der Regel, zahlen sie keine Ausfälle aufgrund von Krankheit, keinen Urlaub, keine Sozialabgaben, keine Unfallversicherung und keine sonstigen Zulagen wie Weihnachtsgeld, Verpflegung usw. Das heißt Minijobs sind für ganze Branchen und große Massen-Segmente des Arbeitsmarktes eine Wunschvorstellung, die sie bei der Politik bestellt und geliefert bekommen haben.
Hundt hat auch nix gegen Minijobber. Er will einfach nur mehr Arbeit aus ihnen rauspressen, wenn er 200 Euro zuerst voll auf die Regelsätze anrechnen lassen will. Das heißt die ersten 200 Euro arbeitest du für Lau. Das soll der Anreiz für dich sein, dich nach einem zweiten Mini-Job um zusehen, oder - so heuchelt der Hundt - vielleicht schaffst du es ja auch in eine Vollzeit-Stelle. Unterstützt sollst du durch dein JobCenter werden, denn die sollen gezielt nach Leuten suchen die nur einen Mini-Job haben und dringend einen zweiten brauchen, weil man ihnen nach Hundtscher Manier kurzerhand die ersten 200 Euro abgenommen hat.
Mit diesen Verschärfungen will Hundt das Angebot an Arbeitskraft auf dem Markt künstlich erhöhen. Dieser Arbeitsmarkt jedoch ist schon in einem Ungleichgewicht. Es gibt viel zu viel Arbeitsangebot auf diesem Markt und die Preise für Arbeit sinken weiter.
Anstatt durch Erpressung der Arbeitskräfte und Lobby-Druck auf Politiker die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter zu verschärfen und die Lebensverhältnisse für die Ärmsten in der Bevölkerung noch unerträglicher zu machen, um das dort eingesparte Geld dem Hundtschen Oberschicht-Rudel zukommen zu lassen braucht es ein BGE - ein Bedingungsloses Grundeinkommen für jeden.
Erst wenn jeder befreit von Existenz-Angst sich auf seine Stärken und Schwächen besinnen kann, wird dieses Land sein ganzes Potential entfalten können. 

Quellen


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