Buchbesprechung: Die Vernetzung der Welt

Die Autoren

Eric Schmit und Jared Cohen haben in ihrem Buch eine Prognose auf ein kommendes Internet gewagt. Sie gehen vom heutigen Stand der Technik aus und analysieren zukünftige Möglichkeiten. Die Vergangenheit des Internet ist nicht Thema ihres Buches.

Eric Schmidt

"Eric Emerson Schmidt ist ein US-amerikanischer Informatiker und Manager, seit April 2011 Executive Chairman von Google und gehört seit 2009 zum Beraterteam des US-Präsidenten Barack Obama in Technologiefragen." (Wikipedia)

Jared Cohen

Ist geopolitischer Berater, Direktor von Google Ideas. Google Ideas ist ein "Think Tank", der technologische Lösungen für die Herausforderungen der Welt sucht. Es geht dabei darum Google so zu Positionieren, dass es die kulturelle, politische und soziale Zukunft des Planeten beeinflussen kann. Google Ideas ist in Googles Geschäfts- und Strategieplanung eingegliedert. Google Ideas ist mithin keine philantropische Stiftung.

Der Leser

Es ist ein allgemein verständlich geschriebenes Buch. Wer die Nachrichten verfolgt wird einige Beispiele schon kennen, um so verblüffter wird er über die Sachen sein, die er noch nicht kennt. Ich hatte meine zwei bis drei Oh-Ha!-Erlebnisse. 

Der Inhalt

Das Buch beschreibt, verschiedene Aspekte, wie Menschen zukünftig technische Netzwerke nutzen, und wie sie sich freiwillig Vernetzung und unfreiwillig vernetzt werden. Lebensbereiche von Individuen unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten, die Rolle von Staaten und NGOs werden analysiert. Es beginnt mit den angenehmen Effekten, die Vernetzung für viele Menschen heute schon mit sich bringt. In der Analyse wird im ersten Kapitel schnell klar, das zukünftig alle Menschen am globalen Netzwerk teilnehmen, aber für reiche Leute das Netz durchaus mehr zu bieten hat als für arme Menschen. Das heißt Klassenunterschiede setzen sich an der Qualität und Teilhabe am globalen Netzwerk fort. Persönlichkeitsrechte und Probleme um das Thema Datenschutz werden diskutiert. Die Autoren sprechen nicht durchgehend von Cloud, Internet und so weiter, sondern unterscheiden Übertragungswege,  Speichermechanismen und Funktionen, und fragen nach der Rolle, die sie in Zukunft für bestimmte Lebensbereiche der Menschen haben.
In Kapitel 2 schauen die Autoren auf die Identität der Menschen im Netz. Welche Rolle der Einzelne im Netz spielt, welche Informationen er in unterschiedlichen Rollen verarbeitet und erzeugt und welche Auswirkungen all dies auf seine Privatsphäre hat. Das wirft dann Fragen für die Zivilgesellschaft und den Journalismus auf und welche Strategien für den Umgang mit den Herausforderungen des digitalen Zeitalters möglich sind. Insbesondere wie ein Polizeistaat 2.0 operieren könnte.
Thema im dritten Kapitel ist der Staat. Die Rolle von Staaten wird analysiert. Welche Einflussmöglichkeiten werden Staaten im globalen Netzwerk nutzen. Themen von Zensur, Filter und die komplette Abschottung von Teilen des Internets für Hoheitsgebiete werden diskutiert. Sehr interessant fand ich die Möglichkeit, dass ein Staat seinen Bürgern so etwas wie ein Intranet bereitstellen könnte und so digitale Außen-Grenzen definiert, mit den gleichen Kontroll- und Regelungsmechanismen, die wir heute nur von Staatsgrenzen kennen. Ein weiterer Aspekt sind virtuelle Staaten für kulturelle Gemeinschaften, die so kein Staatsgebiet haben, zum Beispiel Kurden, die auf mehrere Staaten verteilt sind, könnten im Internet ihren eigenen virtuellen Kurden-Staat gründen. Die Begriffe von Diplomatie, Krieg, Provokation und Kooperation werden Staaten um digitale Bedeutungen erweitern. Beim Cyberkrieg handelt es sich um staatliche Übergriffe auf die Netzwerkstruktur anderer Staaten, entweder um zu spionieren, oder auch um Infrastruktur zu schädigen. Das ist keine Zukunftsvision, sondern schon Realität, wie die Autoren an Beispielen zeigen. Aus dem Kalten Krieg (Cold War) wird ein Code War.
Politische Revolutionen werden durch Vernetzung erleichtert. Gleichgesinnte finden sich schneller und gesellschaftliche Schranken spielen im Netz zunächst keine Rolle, Sprachbarrieren werden durch Übersetzungs-Software eingeebnet, Aktivisten müssen nicht Vollzeit-Aktivisten sein, sondern können Pausen usw. für ihre Aktionen nutzen und die Anonymität im Netz kann Schutz bieten. Obwohl es zuerst einfacher scheint Revolutionen anzuzetteln wird es schwerer sein, sie zu Ende zu führen. Ist das Ergebnis der Analyse. Schließlich haben Regime, die sich durch Revolution gefährdet sehen, ein ganzes Arsenal von Möglichkeiten, den Tatendrang der Revolutionäre zu stoppen, ihn in gewünschte Bahnen zu lenken, oder schlicht und einfach das Medium der Kommunikation stillzulegen. Allerdings so analysieren Schmidt und Cohen haben sich einige Instrumente als Kontrproduktiv oder Wirkungslos erwiesen. Dennoch bleibt ihr Ergebnis, dass es in Zukunft schwieriger werden wird Revolutionen siegreich zu beenden.
Auch für Terroristen sollen die Zeiten angeblich härter werden. Die Autoren zeigen an mehreren Fällen - unter anderem Bin Laden - wie Terroristen die neuen technischen Möglichkeiten nutzen, und wie andererseits ihre Jäger im Vorteil sind. Die Argumentation ist schlüssig. Vor allem hat mich ein Punkt überzeugt. Terroristische Taten werden vollständig und schnell im Netz veröffentlicht. Die schrecklichen Bilder mobilisiert die Netzgemeinschaften eher gegen die Terroristen, ihr Rückhalt in der Bevölkerung würde dadurch dramatisch abnehmen, mit dem Ergebnis dass es weniger Terror-Anschläge geben würde.
Für Konflikte und Kriege tun sich neue Gelegenheiten auf. Es wird Cyber-Kriege geben. Nationen die außerhalb des Netzes in friedlicher Eintracht miteinander leben, bekriegen sich im Netz mit diversen Aktionen und Gegen-Aktionen. Sie schnüffeln sich gegenseitig aus, sabotieren Anlagen durch schädliche Software usw. Auch Waffensysteme wie Drohnen, Kampfroboter und künstliche Intelligenz werden erst durch Netzwerk-Technik möglich und schlagkräftig. Durch Vernetzte-Technik in Waffensysteme kann die Schwelle für bewaffnete Konflikte sinken und die Technik würde es ermöglichen Leben zu schonen. Mit dem Wort "Marketing-Krieg" fassen die Autoren Kriegspropaganda zusammen, die es Beobachtern immer schwerer machen wird, die Guten von den Bösen zu trennen. Der Marketing-Krieg beginnt schon lange vor den Kampfhandlungen, letztendlich soll er sie legitim erscheinen lassen.
Nach Kriegen und Katastrophen wird der Wiederaufbau durch Kommunikationstechnik erleichtert, Korruption eingedämmt, die Zuverlässigkeit der Helfer vor Ort überprüfbarer als dies heute der Fall ist. Das Einsammeln von Waffen würde durch Kommunikationstechnik erleichtert werden. So seien Soldaten leichter zu bewegen, ihre Waffen gegen ein Handy einzutauschen, wenn sie auf dem Handy hilfreiche Apps finden usw. Aber auch die Waffen selbst könnten Technik enthalten (RFID) die es erleichtert den Überblick über das Waffen-Potential zu haben. Plünderungen nach Kriegen oder Katastrophen könnten dadurch Öffentlichkeit eingedämmt oder verhindert werden. Wer dabei gefilmt wird, wie er Kunstschätze raubt, wird es sich vielleicht nochmal überlegen.
Im Fazit sehen die Autoren dass die Vernetzung der Welt diesen Planeten für viele Leute besser macht, für manche wird sich nichts ändern und für einige wird das Leben schwieriger werden.

Mein Fazit nach der Lektüre

Ich hätte mir mehr Internet und Google-Interna gewünscht. Whistle-Blower sind die beiden Autoren jedenfalls nicht. An manchen stellen hatte ich sogar das Gefühl, dass hier keine Analyse der Möglichkeiten vorliegt, sondern eine klare Ansage gemacht wird. Gestört hat mich, das eine demokratische Kontrolle der Hardware, und Software, Transparenz des Einsatzes bei Behörden, Polizei, Firmen usw. im Buch gar nicht analysiert wird. Das heißt es muss nicht immer gleich ein Krieg, eine Revolution oder sowas daherkommen. Häufig ändert eine kleine Reform - ein paar neue Paragraphen - alles.

Quellen


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