Handelskrieg gegen Russland

Was als Ukraine Krise zur Zeit die Schlagzeilen beherrscht ist nicht mehr und nicht weniger als der Beginn eines Handelskrieges, wie wir ihn in Europa seit den 1980er Jahren nicht mehr erlebt haben. Die Freiheit und Unabhängigkeit der Menschen in der Ukraine dient Politikern auf allen Seiten als Feigenblatt, hinter dem ökonomische Interessen und der Konkurrenz-Kampf um den europäischen Energie-Markt versteckt werden. Und immer wenn in so einem Zusammenhang das Wort Feigenblatt gefallen ist, muss du nicht lange nach der Vokabel heucheln suchen. Diesmal war es eine Konkurrenz der Heuchler und das Wettrennen um den ersten Platz hat Kanzlerin Merkel gegen Senator McCain verloren.

G7 Pakt gegen Russland

Schlimmer ist jedoch dass sie das Poker-Spiel um den zentral-Europäischen Energiemarkt bei ihrem USA-Besuch gar nicht durchschaut hat. Oder wollte sie das Spiel nicht durchschauen? Fakt ist, sie kann nun nicht mehr Mediatorin zwischen Obama und Putin sein, denn nun ist sie Partei in einem Pakt gegen Russland. Über diesen Pakt der G7-Staaten gegen Russland hat Spiegel Online am Dienstag dieser Woche berichtet.

Nach diesem Bericht wurde zunächst ein Papier vorgelegt in dem es um eine sichere weltweite Energieversorgung gehen würde. Die Atomkraft solle dabei eine stärkere Rolle spielen, die erneuerbaren Energien würden ziemlich weit hinten an stehen und Energieeffizienz sei ein untergeordnetes Thema. Nach den Beratungen der Minister aus  Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Kanada, die USA und Italien - die G-7 Staaten - sei eine Einigung erzielt worden in dem von Energiemix, den Ausbau von Infrastruktur zum Transport von Öl und Gas sowie die Unterstützung der osteuropäischen Staaten gesprochen wird. In den nächsten Wochen sollen nach dem Bericht "Notfallmaßnahmen" erarbeitet werden, für den Fall dass Wladimir Putin über Nacht den Gashahn zudrehen ließe.

Gabriel scheint einer jener Politiker zu sein, die wissen was ein Feigenblatt ist, daher seine Mahnung die Ukraine-Kriese losgelöst von einer gemeinsamen Energie-Strategie zu betrachten. Er wird zitiert mit der realistischen Einschätzung: "Ich kenne niemanden auf der Welt, der uns sagen könnte, wie die Abhängigkeit in Europa von russischen Gasimporten kurzfristig geändert werden könnte."

Abhängigkeit der EU-Staaten vom russischen Gas

  • Keine Abhängigkeit: Portugal, Spanien, Irland, Großbritannien, Dänemark, Schweden, Kroatien, Zypern
  • über 0 bis 25% abhängig: Frankreich, Belgien, Niederlande, Rumänien
  • 25 bis unter 50% abhängig: Italien, Deutschland
  • 50 bis unter 75% abhängig: Polen, Tschechien, Österreich, Slowenien, Griechenland
  • 75 bis unter 100% abhängig: Bulgarien, Ungarn, Slowakei
  • 100% abhängig: Litauen, Lettland, Estland, Finnland
Aus Sicht westlicher Öl- und Gas-Multis und auch der Fracking-Industrie ist ihre Markt-Präsenz durchaus ausbaufähig. Grund genug einen Handelskrieg zu bestellen, den manch einer unter den Politikern auch gerne liefert. Bis zum Ausbruch der Tumulte in der Ukraine mussten dabei immer Putins Drohungen herhalten. Ich wollte wissen, welche Drohungen damit gemeint sind und fand eine Übersicht bei RP-Online. Bei dieser chronologischen Auflistung geht es um die russische Ablehnung des NATO Raketenschilds in Polen und Tschechien 2007 und jüngst um die Maßnahmen um eine Integration der Ukraine in westliche Bündnisse zu verhindern. Alle Drohungen gemeinsam ist, dass es Reaktionen aus NATO oder EU-Aktionen sind, die ohne vorherige Absprache mit dem Partnerland Russland vorgenommen wurden. In ihrer eigenen Art sagen sie nix weiter als "Hört auf mich zu provozieren."

Wie geht es nun weiter mit dem Handelskrieg gegen Russland?

Rekrutierung und Aufstellung der Ressourcen

Für den normalen Verbraucher und die heimische Industrie sind die unmittelbaren Konsequenzen ziemlich klar. Für US-Geheimdienste bleiben wir EU-Bürger ein offenes Buch. Wir werden nie erfahren, ob und in welchem Umfang von ausländischen Geheimdiensten gegen unsere Datenschutzgesetze verstoßen wurde und in welchem Umfang Industriespionage gegen heimische Entwickler betrieben wird. Ferner wird die Konkurrenz-Situation auf dem Energie-Markt in Zentral-Europa zugunsten westlicher Firmen bereinigt. Diese Bereinigung kostet viel Geld und Zeit, weil neue Infrastruktur zum Import von Flüssiggas aufgebaut werden muss. Der Pakt gegen Russland ruiniert nicht nur den Marktzugang, sonder im ersten Zug ebenfalls getätigte Investitionen deutscher und russischer Firmen in existierende Infrastruktur. Gleichzeitig profitieren US-Firmen schon in der ersten Phase am Ausbau der neuen Marktzugänge.

Strategisch läuft die Zeit gegen Menschen und Firmen, die die seit 1970 gewachsenen Handelsstrukturen zwischen Deutschland und Russland retten wollen. Ihre Handlungsalternativen sind stark eingeschränkt, und auf deutscher Seite fehlt ihnen eine verlässliche politische Unterstützung durch die Regierung.

Am wirksamsten für die russische Seite wären Maßnahmen, die jetzt die Gasversorgung in Mittel-Europa einschränken und die Preise erhöhen. Wirtschaftsminister Gabriel weiß das, daher hat er eine Energie-KSZE vorgeschlagen. Damit zieht er seine vorherige Einschätzung, nach der eine Panik vor Gas-Engpässen übertrieben sei, zurück. Aber diese Maßnahme hätte einen hohen Preis für die russischen Konzerne. Das Image der Russen als verlässlicher Handelspartner würde stark leiden. Es würde die Positionen hierzulande gegen Russland stärken. Und vor allem: Läge diese Handlungsalternative realistisch vor, wäre sie ziemlich weit oben unter "Putins Drohungen" bei RP-Online gelistet. Die Drohung mit Lieferstopp gilt eigentlich nur gegen säumige Zahler - das ist jedoch nicht verwunderlich. Im übrigen hatte das Handelsblatt zuvor darüber berichtet wie Putin die weiteren Gaslieferungen zusagt, allerdings mit der Einschränkung, dass es möglich sei, dass Ukrainer illegal Gas aus der Pipeline entnehmen könnten.
Wie auch immer: Ab jetzt tobt ein Handelskrieg großer westlicher-Konzerne gegen russische Konzerne und die ersten Punkte gehen an die US-Konzerne, weil sie europäische Politiker und europäische Konzerne auf ihre Seite ziehen konnten. Die russische Wirtschaft hat den Propaganda-Nachteil, dass sich westliche Medien auf Putin-Bashing eingelassen haben und reale Wirtschaftsbeziehungen mit Tumulten in der Ukraine vermengen anstatt sie analytisch zu trennen.

Quellen


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