Anne Will und ihre Horror-Show

Beatrix von Storch, Hans-Peter Friedrich, Armin Laschet, Heinrich Bedford-Strohm - Was wollte uns Anne Will damit gestern Abend vorführen? Ein TV-Show zu einem aktuellen Thema jedoch ersonnen aus dem nationalistischen Selbst-Verständnis des 19. Jahrhunderts, deren heutige Vertreter die Lehren aus dem 20. Jahrhundert vergessen haben - oder ausblenden? - und die es sich im 21 Jahrhundert als Wirrköpfe in einer wirren Welt bequem einrichten, indem sie Europa zum Schlachthaus machen und den Horror in ein christliches Bändchen von Sonntagsreden einwickeln?

Hans-Peter Friedrich (CSU): Wir sind in vielen Bereichen am Ende der Kraft. Ahh - das trifft einzelne Landkreise - wir haben erste Landkreise im im Süd-bayerischen Raum, die einfach nicht mehr können, die - die einfach diese Menge an Menschen nicht mehr versorgen und aufnehmen können aber wir sind - und das hat der Bundespräsident gesagt - einfach mit der Tatsache konfrontiert, dass es eben eine begrenzte Aufnehme Aufnahmefähigkeit gibt.

Gebrochenes Deutsch

Die Ahh's und Ähh's und die kleinen Versprecher werden normalerweise nicht zitiert. Ich finde hier hat die gesprochene Sprache jedoch einen Vorzug gegenüber der geschriebenen. Es scheint fast so als benutze Friedrich fortwährend höhere Instanzen um sein eigenes schlechtes Gewissen zu beruhigen, das sich dennoch im Redefluss zu erkennen gibt, indem es ihn bricht. Als Bayer hätte er die Kompetenz festzustellen, ob gewisse Dörfer überlastet wären, statt dessen duckt er sich unter die Fittiche eines Preußen, der sich seinerseits auf die höhere Instanz von quasi-Naturgesetzen beruft und sowas wie eine prinzipielle Obergrenze für die Aufnahmefähigkeit Deutschlands diagnostiziert - Etwa so: "voll ist, wenn voll ist und überlaufen lassen wir nix." Also bei soviel Duckmäusertum bin ich skeptisch, ob ich auch nur ein Wort von dem glauben darf was diese Leute labern. - Das gilt für den Bundespräsidenten und für Friedrich.


Beatrix von Storch (AfD): Die Verfassung - ah - regelt eindeutig das ein Anrecht auf Asyl bei uns nicht hat, wer aus einem sicheren Drittstaat kommt - es gibt ein Asylgesetz, da steht drin "die Einreise ist an Ausleger zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat einreist. Insofern, wenn wir uns an dieses Gesetz halten würden - und das hat die CSU, das hat die CDU, das hat die SPD die FDP 1993 in das Grundgesetz geschrieben - also das ist Konsens gewesen, das dieses Asylrecht eben nicht mehr besteht für die, die aus sicheren Drittstaaten - ähm dann brauchen wir keine Obergrenze, dann halten wir uns einfach an die  geltenden Gesetze und nach den geltenden Gesetzen dürfte über die Österreichische Landes-Grenze keiner einreisen und bei uns Asyl beantragen. Eine sehr einfache Lösung.

Fauler Kompromiss

Jedem Kritiker des damaligen Asyl-Kompromisses ist schon klar, dass mit der Drittstaaten-Regelung faktisch das Recht auf Asyl in Deutschland abgeschafft wurde. Deutschland ist nicht nur umzingelt von Freunden - diese Freunde sind vor allem sichere Drittstaaten. Das war beabsichtigt und offenbart ein häufig genutztes Prinzip demokratischer Konsens-Findung: Konsens ist,  wenn ein unbeteiligter (oder ausgegrenzter, stigmatisierter usw.) Dritter die Zeche zahlt. Klar der Asyl-Kompromiss von damals stinkt und die AfD legt noch eins drauf, indem sie ihn heute als Waffe gegen die Menschen einsetzt.
Das ist dann auch genau die Stelle an der ein liberales Argument fehlt, denn es ist Tatsache das Migration die stattfindet - ob es uns nun passt oder nicht. Das lässt sich nicht aus der Welt labern. Um die Migration dennoch verwaltbar halten und die Zuwanderung verwertbar organisieren zu können, braucht es ein liberales Gesetz für Migration. In eine Diskussion um ein Zuwanderer-Gesetz passt dann auch die Vokabel "Obergrenze", in einem Asyl-Gesetz hat sie nix zu suchen, das ist einfach nur abscheulich.

Armin Laschet (CDU): Also Österreich ist Österreich, das müssen die nun selbst entscheiden, nur für Deutschland halte ich eine Obergrenze à la Österreich für völlig undenkbar.

Kuscheln der national-konservativen Parteigänger

Viele Kommentatoren - so zum Beispiel TV-Kolumne bei Focus sehen hier einen Graben zwischen CDU und CSU - wobei die CSU sehr nahe bei den Positionen der AfD sei. Das National-Konservative in beiden Lagern stark sind, sowohl bei den christlichen Parteien als auch bei der AfD ist nicht verwunderlich, das Problem dahinter ist jedoch, dass es bei der AfD durchaus rassistische und nationalsozialistische Postionen gibt, die durch derartige Wischi-Waschi Kommentierung zur allgemeinen Diskussion beitragen. Das ist nur dann eine vernünftige Taktik, wenn man sich für Deutschland eine nationalistisch-autoritäre Regierung wie in Polen wünscht.

Heinrich Bedford-Strohm (EKD): Was ich befürchte ist eine Chaotisierung Europas, wenn diese Vorschläge wirklich umgesetzt werden, das dient niemandem. Es dient nicht den Menschen hier und es dient es natürlich auch nicht den Menschen, die in schwerer Not sind - die dürfen wir auch nicht aus dem Blick verlieren bei der  Debatte jetzt um diese Frage. Deswegen möchte ich wirklich mal, das wir äh zur Sachlichkeit zurückkehren - Humanität und Sachlichkeit.

Moralin in Sonntagsreden statt effiziente Exekutive

Chaotisierung ist eine milde Umschreibung für das, was stattfindet. Zunächst das Versäumnis aus den Lehren der Vergangenheit eine gescheite Asyl Gesetzgebung zu zimmern, die harmonisch zu derjenigen anderer Staaten passt und die dafür sorgt, dass Menschen in Europa eben nicht diese "Überlastung" spüren, sondern Asyl- und Migration-Verfahren sachlich trennt, und dort wo Leib und Leben in Gefahr sind, auch effizient hilft und ohne Umschweife Asyl gewährt. Andererseits Regularien für Migranten, die eine ökonomische Brücke für all diejenigen darstellen, die gemeinhin als Wirtschaftsflüchtlinge gelten. Migration und Asyl sind zwei Aufgaben, von denen erwartet werden muss, dass Staaten sie routiniert und professionell administrieren.

Bis dahin gibt's tatsächlich etwas zu tun: Es geht darum zu definieren was politische Kompromisse sind und wie man sie findet. Echte Kompromisse liegen selten da wo andere Leute, die bei der Diskussion außen vorgelassen wurden, am Ende die Zeche zu zahlen haben. Diese Art der Kompromisse wurden in der Vergangenheit gerne genommen - aber sie fallen einem später auf die Füße. Das gilt aktuell für den Asyl-Kompromiss, und wird bald auch für andere Bereiche wie zum Beispiel Hartz IV gelten, wenn etwa AfD-inspirierte Jobcenter-Mitarbeiter Leute nicht einfach nur Drangsalieren, sondern tatsächlich in Arbeitslager und oder den Hungertod schicken und dabei behaupten, das sei alles so im Gesetz vorgesehen. Das nächste Beispiel wären die Überwachungs- und Ausspähgesetze (Vorratsdaten-speicher), die sich hervorragend als Waffen gegen Menschen einsetzen lassen.

Ralf Dargent unterstellt in seinem Kommentar die Fähigkeit des Publikums zu erkennen wenn jemand einer Verschwörungstheorie anhängt, oder ein Nazi-Stakkato hinlegt. Das gipfelt dann in der Schlussfolgerung: "Lass sie reden, sie reden sich um Kopf und Kragen." Ich fürchte es ist weder ihr Kopf noch ihr Kragen.


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