Pegida Rezeption

Die Idee zu dieser Geschichte ist, die Reaktionen einzelne professionelle Reaktionen auf Pegida zu beobachten. Wie reagieren demokratische Politiker, liberale Journalisten und Kommentatoren  in Deutschland auf Pegida, welche Forderungen der Populisten nehmen sie wahr? - Wie rezipieren sie völkisches Gedankengut?
Ich dachte ich könnte so etwas wie eine Beobachter-Rolle einnehmen. Das verbietet sich jedoch schon vom Namen her. Völkischer Beobachter war eine populistische Nazi-Zeitung, die völkisches Gedankengut verbreitet hat. In ihrem Buch Der Baron, die Juden und die Nazis erzählt Jutta Ditfurth vom speziellen Antisemitismus der deutschen Oberschicht zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Es wird schnell klar, dass die deutsche Sprache hier eine Mit-Täterschaft inne hat. In ihr drückt sich der Antisemitismus nicht einfach nur aus, die Sprache selbst schafft rassistische Denkstrukturen, die bis heute wirksam sind.
Ein Beispiel über das ich bei der Recherche gestolpert bin. Ich habe nach "völkische Bewegung" gegoogelt und dort nach Bilder gefiltert. Das völkische zeigt sich nicht nur in der Sprache, sondern auch im Design und Layout bei Druck-Erzeugnissen - so jedenfalls war mein Vorurteil. Gefunden habe ich das Wir-Sind-XY-Media-Konstrukt der deutschen Sprache. Zwei Beispiele nebeneinander:
Quelle: Google Search, Screenshot Peter Benwar-Wagner
Links das zeitgeschichtliche-Original: "Wir sind Führer". Rechts die aktuelle populistische Variante: "Wir sind Papst". Design ist gebunden in der Zeit, davon ungebunden ist der Gebrauch dieser "Wir-sind-Konstruktion" in Verbindung mit gewaltiger Autorität. Der völkische Untertanengeist subsumiert die eigene Individualität unter ein idealisiertes Individuum. Der einzelne kann mit Hilfe des Wir-Sind-Konstrukts die Realität ignorieren und sich selbst erhöhen. Das ist ein erhebendes Gefühlt für alle, denen dies zeitweise gelingt. In beiden Fällen des Beispiels stand am Ende die Ernüchterung. Diese Wir-Sind-Konstruktion ist immer eine Lüge und alles was du als einzelner aus ihr gewinnen magst ist Illusion und wenn dein Bewusstsein dann doch irgendwann auf den Boden der Tatsachen aufschlägst darfst du dich glücklich schätzen, wenn du keine Verbrechen begangen hast während dessen du in der Illusion gefangen warst. Den Preis für diese Illusion hast du allerdings dennoch zu zahlen.
Beim Völkischen Beobachter gehörte die Re-Konstruktion des individuellen Ich zum erhebenden Wir zum journalistischen Selbstverständnis. Einem objektiv-distanzierten Journalismus ist es daher selbstverständlich statt des Wir ein Die zu setzen. So beobachteten NDR-Journalisten letzten Montag Die Pegida-Demo, als sie am Rande immer wieder versuchten Demonstranten nach ihren Begehren und Unzufriedenheiten zu interviewen. Was sie enthüllten brauchte nicht weiter Kommentiert zu werden. Diejenigen die sich äußerten standen eindeutig abseits jeder realen gesellschaftlichen Diskussion. Und weil dies so offensichtlich ist, hatte sich die Redaktion des NDR entschlossen die Interviews unkommentiert zu senden. Unter der Überschrift "Lügenpresse trifft auf Pegida" wurde der Beitrag am 18.12.2014 von der ARD gesendet. Dazu kamen Online die kompletten Interviews in Teil 1 und Teil 2. Dumm nur, sie interviewten auch einen Kollegen vom Sender RTL, der den Unterschied zwischen Wir und Die nicht verstanden hatte und ganz im Sinne der Pegida Organisatoren auf die Fragen antwortete, ohne sich als Journalist erkennen zu geben. Der Mann wurde als RTL Reporter erkannt und nach missglückter Rechtfertigung von RTL gefeuert. Spiegel Online hatte zuvor schon Zitate der Pegida Demonstranten aus dem ARD-Beitrag veröffentlicht.
Die Pegida-Veranstalter lassen in Sprechchören Journalisten, die bei öffentlich rechtlichen Anstalten oder großen liberalen Zeitungen beschäftigt sind als "Lügenpresse" verunglimpfen. Gerne auch während der Interviews, wodurch diese dann unverständlich werden und die Interviewten Pegida-Teilnehmer eingeschüchtert werden. Zudem ist in den NDR-Interviews zu beobachten dass Pegida-Ordner versuchen bestimmte Interviews aktiv zu behindern, indem sie die Interviewpartner abdrängen.
Zum Schluss noch zwei Politiker aus Nordrhein-Westfalen. Hannelore Kraft bezieht auf ihrer Facebook-Seite eindeutig Stellung:
Quelle Facebook, Screenshot Peter Benwar-Wagner
Dieser Professionell gestaltete Auftritt der Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen hat einen kleinen Schönheitsfehler. Das Wort Rattenfänger wird in der völkischen Demagogie so gedreht, dass der Demagoge auf der Kundgebung lauthals fragt: "Wenn ich der Rattenfänger bin, was seid ihr dann? - Genau Ihr seid dann die Ratten... Seid Ihr Ratten?"
Abwertende Sprachbilder haben den vorteil, dass sie deutlich sind, aber jede dieser Abwertung kann sich gegen denjenigen wenden der sie ursprünglich benutzt hat, vor allem dann wenn man sich mit der Abwertung auch an das Publikum der völkischen Demagogen wendet, denn diese Leute stehen schon neben einer realistischen Weltsicht. Man muss sie dort wo sie stehen behutsam abholen. Das mag sich auch Wolfgang Bosbach gedacht haben als er im ZDF-Morgenmagazin zum CDU Parteitag in Köln und zur Pegida befragt wurde.

Zitat Wolfgang Bosbach:
Es gibt in der Bevölkerung doch viele nachvollziehbare und verständliche Ängste und Sorgen. Ich kann der Politik nur raten diese Ängste und Sorgen auch Ernst zu nehmen. Aber was wir jetzt erleben ist die Instrumentalisierung dieser Ängste und Sorgen - und genau das ist die gefährliche Mischung. Die Veranstalter selber sagen sie haben mit Rechtsextremismus nix am Hut, und es ist ja auch richtigerweise gesagt worden dort demonstrieren selbstverständlich nicht nur ausländerfeindliche rechtsextreme Personen, aber Neonazis und Rechtsextreme mischen sich gezielt unter diese Demonstranten. Wenn man sagt, mit denen hat man nichts zu tun, dann darf man mit denen auch nicht gemeinsame Sache machen und gemeinsam marschieren.
Mittlerweile ist klar geworden, dass die Veranstalter der Pegida in Dresden nicht nur rechtsextrem sind, sondern auch noch eine kriminelle Karriere hinter sich haben. Also auch aus der CDU die Aufforderung an die Menschen, diesen Veranstaltungen fern zu bleiben, verbunden mit dem Versprechen ihre Ängste und Sorgen ernst zu nehmen.
Weiter im Interview. Zitat Wolfgang Bosbach:
... selbstverständlich verkraften wir das (den zuzug von 200.000 Flüchtlichen Anm. PBW) Eine andere Frage ist: Wenn in den nächsten Jahren der Zuzug in eben einem solchen Umfange stattfindet oder sogar noch darüber hinaus, ob dann nicht doch die Integrationskraft vieler Städte und Gemeinden in unserem Land überfordert wird. Es kann nicht sein, dass Deutschland und Schweden fast die Hälfte aller Flüchtlinge aufnehmen und dreizehn Länder in der Europäischen Union so gut wie gar keine. Das heißt wir brauchen gemeinsame europäische Anstrengungen. Deutschland alleine wird die Not der Menschen nicht lindern können.
Was ursprünglich eine klare Botschaft war, nämlich nicht auf diese Kundgebungen zu gehen, wird auf Nachfrage dann doch zum Eiertanz. Ein klein wenig unverständlich ist diese menschliche Kälte, die der Vorsitzende des Innenausschusses der CDU ausdrückt dann doch - zumal in der Vorweihnachtszeit, wo sich alle Christen an Barmherzigkeit, Versöhnung und der Errettung durch den Herren erinnern.

Fazit

Die Meinungsführer in Presse und Politik unterstützen nicht die Bildung einer völkischen Bewegung. Der autoritäre Auftritt der Ordnungskräfte von Pegida wirkt abschreckend und wenn es gelingt die Teilnehmer mit der Wirklichkeit ihres täglichen Lebens zu konfrontieren, sollten die meisten leicht einsehen können, dass Pegida nichts weiter ist, als eine schräge Illusion. Dort wo viele Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen leben, funktioniert die Illusion nicht und dort wo die Gesellschaft homogen zusammengesetzt ist, entlarven sich die Pegida-Thesen schnell als unbegründete Panikmache unter Vorspieglung falscher Tatsachen. Irgendwann sollte auch dem Einfältigsten klar werden, das die Probleme, die dieses Land hat, ganz andere sind und von Pegida in keiner Weise benannt werden.



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