Monsieur Junker wird von Herrn Kleber gegrillt

Vier Minuten und sechsunddreißig Sekunden nach Beginn der Sendung, startete am 11. Dezember die Lux-Leaks Geschichte im "Heute Journal". Es gab einen einführenden Bericht zur Steueroase Luxemburg, deren wesentliche Features genau in jenen Jahren implementiert wurden als Jean Claude Junker zunächst Finanzminister und später Premierminister in Luxemburg war. Wenn die EU nun unter dem Kommissionspräsidenten Jean Claude Junker darangeht die EU-Steuerschlupflöcher für Großkonzerne zu schließen, ist die Frage "Wurde hier der Bock zum Gärtner gemacht?" schon klar mit ja beantwortet.
Jean Claude Junker / Claus Kleber - Screenshot von Peter Benwar-Wagner
Claus Kleber stellt sie dennoch und bekommt tatsächlich eine Antwort:

"Trotz meiner ernst gemeinten Auffassung, dass Sie sich der Tragweite der vorgetragenen Bemerkungen bewusster werden sollten, stellen Sie mir die selbe Frage in einem anderen Kontext noch einmal. Das ist aber Ihr gutes Recht. Es geht hier nicht um Luxemburg, es geht hier um 22 Länder in der europäischen Union, die diese Steuervorbescheide in einer administrativen Praxis haben heranwachsen lassen und ich habe vor dieser Lux-Leak-Geschichte im Wahlkampf und im europäischen Parlament mehrfach ausgeführt dass dies geändert werden muss. So wie ich auch in meiner Zeit als Finanzminister, als Präsident der europäischen Finanzminister, immer wieder darauf gedrängt habe - das ist ja nachlesbar -  dass wir zu mehr Steuerharmonisierung kommen sollten. Das haben wir ja in Sachen Zinsbesteuerung gemacht, das haben wir in Sachen unfairen Steuerwettbewerbs in die Hand zu nehmen versucht, und das haben wir auch in anderen Steuer-Sparten gemacht, und mit diesem Gesamtansatz werden wir auch auch weitermachen. Ich hätte gerne, weil ich ja weiß dass meine Glaubwürdigkeit unter dieser Geschichte relativ solide gelitten hat, das man mich nicht auf das beurteilt was war und was überall der Fall war, sondern auf das beurteilt was in den nächsten Jahren passieren wird. Ich hoffe dass ich nicht allein auf weiter Flur stehen werde, wenn diese Vorschläge auf den Tisch des Rates kommen sollen, das alle Regierungen, das alle 28 Regierungen dies massivst unterstützen werden."

Das Ding mit der Tragweite und 22 anderen Länder: ist das jetzt eine Ablenkung oder sagt Junker sowas wie "OK, ich bin der Bock und bin der Gärtner, aber da sind noch 22 andere Böcke als Gärter in dem Laden." Kleber fragt diese Zahl 22 nach und als Junker anfängt zu erklären fällt ihm Kleber ins Wort, sobald das Land Niederlande genannt wurde ergänzt Kleber Österreich, Luxemburg, aber bezweifelt die 22. In der Anmoderation hatte Kleber vorher klar gestellt, dass es vor allem kleine EU Staaten sind, die sich Steuer-Sparmodelle ausdenken, weil sie es sich leisten könnten den großen Konzernen Steuern zu erlassen, da sie für den Unterhalt ihrer kleinen Staaten viel weniger Geld benötigen als die großen EU-Länder. Und Kleber unterstellt ferner, dass die Konzerne ihre Gewinne in genau solche Staaten lenken würden.

Dieser Beschreibung des Sachverhaltes unterstellt Junker kognitive Ausbaufähigkeit im Sinne von "sie sollten sich der Tragweite der vorgetragenen Bemerkungen bewusster werden." Und gleichzeitig betont Junker dass er schon häufig in seinen Ämtern darauf gedrängt hätte, die EU-Steuervorschriften zu harmonisieren. Damit hat der EU-Kommissionspräsident Junker diplomatischere Worte gefunden als der Luxemburger Politiker Frank Engel der in einem BBC Interview sagte

"Wir lassen uns nicht gern ‚Steuerparadies‘ nennen. Wir erlauben multinationalen Konzernen, sich bei uns niederzulassen, um symbolische Steuern zu zahlen. Wenn wir das nicht tun, werden es andere tun." (BBC Radio 4, Today Show vom 27. November 2014)

Das die Zahl von 22 EU-Staaten, die Steuersparmodelle anbieten, stimmen könnte legen andere Veröffentlichungen nahe:

Auch auf Nachfrage bleibt Junker dabei:
"22 Staaten praktizieren Steuervorentscheide. Sogenannte Advance Tax Rulings."
 
Kleber: "Es kommt ja auch darauf an wie die aussehen."
Junker: "Ja es kommt auch darauf an, wer das entscheidet. In Luxemburg macht die Steuerverwaltung das. In anderen Ländern macht der Finanzminister das selber. In Luxemburg hat der Finanzminister kein Weisungsrecht, wenn es um detaillierte Steuervorbescheide geht."

Damit hat Junker klar gemacht, dass multinationale Konzerne in Europa 22 EU-Staaten finden, die derzeit bereit sind, ihnen die Gewinne zu Micro-Steuersätzen durch zu winken, und außerdem hat Junker angedeutet, dass es sich dabei teilweise auch um Verfahren außerhalb der üblichen rechtsstaatlichen Verwaltungspraxis handelt. Seine Befürchtung, er könne mit Harmonisierungs-Vorschlägen allein auf weiter Flur stehen sind vor diesem Hintergrund durchaus berechtigt. 

Kleber: Wie soll das jetzt besser werden? Welche Partner brauchen Sie dafür und trauen Sie sich zu - also trauen Sie Europa zu - diesen Misstand abzustellen.
Junker: Also ich glaube die Gefühlslage hat sich doch wesentlich geändert in den letzten Jahren in Europa. Ich bin für Steuerwettbewerb, aber eben gegen unfairen Steuerwettbewerb. Und die Zahl der Menschen nimmt zu, die es nicht länger hinnehmen wollen, dass große Unternehmen - das globale Großkapital - sich der Steuer entzieht und das die Arbeitnehmer auf Heller und Pfennig besteuert werden. Die Befindlichkeit der Europäer hat sich geändert. Ich glaube es gibt einen stark ausgeprägten Wunsch nach Steuergerechtigkeit und ich denke mir auch das alle Regierungen und alle Parlamente - auch das europäische Parlament - sich dieser Gefühlslage anschließen werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese Probleme in den Griff kriegen. 

Junker allein auf weiter Flur? Junker zählt auf die Menschen und ihre Parlamente. Junker wirbt um breite Unterstützung beim Publikum. Zum Schluss wird noch angekündigt, dass die Vorschläge in der ersten Jahreshälfte 2015 auf den Tisch das Rates gelegt werden. Na, da bin ich aber mal gespannt.

Der Aufruf zur Unterschriftlenliste von Attac: 





Beliebte Posts aus diesem Blog

Windows Batch-Dateien mit Tastatur-Abfragen steuern

And every day the Ki greets you with another limerick

Kein Kommentar: Spiegel Online deaktiviert die Kommentare auf Google Plus