Rock'n'Roll Demagoge

Es geht um Ken Jebsen der mit seinem YouTube Kanal wwwKenFMde für muntere Diskussionen im Netz sorgt.
Hab's gerade auf Facebook gefunden. Jemand schrieb im Kommentar zum Artikel "Nichts gemeinsam!": "Was "gute Propaganda" ausmacht, wussten die Redner des 3. Reiches sehr genau. Hört euch mal die Reden von A.H. an. Von Goebbels. Und auch sehr prickeln Herr Freisler vom Volksgerichtshof. Solch ein Gekreische von Männern ....."
A.H. ist Adolf Hitler und ich habe mir einige Ausschnitte seiner Reden angehört. Und ebenso von Goebbels und Freisler. Adolf Hitler war dermaßen pathetisch und übertrieben wenn er vor Leuten auftrat, dass er heute lächerlich wirken würde, wenn er einen Auftritt à la Ken Jebsen hätte. Genau wie bei Goebbels waren Hitlers Metaphern dazu aufgelegt Hass zu entfachen. Beide vermischten Wahrheit und Lüge sehr geschickt miteinander und beide redeten gerade so schnell, dass die Zuhörer die Wahrheit erkennen und die Lüge schlucken konnten. Beide waren stets bemüht bei ihrem Publikum den Hass zu entfachen, der dann in Gewalt ausgelebt wurde. Anstachelung zu Gewalttaten war ein wesentliches Motiv in diesen Reden. Dazu gehörte immer das stilisierte Opfer. Der Redner stilisierte sich und seine Bewegung zum Opfer derjenigen, gegen die er unablässig hetzte und die dann tatsächlich Opfer wurden. Freisler als Unrecht sprechender Richter erinnert an einen alkoholkranken Wüterich der sich selbst nicht leiden kann und seinen Hass gegen die Beklagten vor Gericht auslebte. Wie Hitler und Goebbels war er theatralisch übertrieben, aber er inszenierte Gewalt indem er die Angeklagten in seinen Gerichtsverhandlungen runterputzte und fertig machte. Freisler spielte Richter und Henker in Personalunion - die folgende Exekution durch einen echten Henker war das konsequente Ende und es stand schon vor Prozessbeginn fest. Anders als Hitler oder Goebbels, die heute unfreiwillig komisch wirken, wirkt Freisler auch heute gruselig. Sein Character ist einer sehr alten und sehr Üblen Horror-Geschichte entsprungen. Freisler ist der Herr über Leben und Tod. Hitler und Goebbels hetzen, wer da zuhörte oder gar bei Pogromen mitmachte war selber schuld. Bei Freisler hatte niemand eine Wahl - seinen Tiraden und seinem Verdikt war der unfreiwillige Zuhörer in der Rolle des Angeklagten ausgeliefert.

Ken Jebsen mimt den Demagogen. Während er spricht prasseln seine Worte auf den Zuhörer ein, so wie ein irre schnell gespieltes und häufig geübtes Gitarrenriff durch eine Konzerthalle ätzt. Mein Eindruck ist, Jebsen redet so wie Van Halen Gitarre spielt. Als Zuhörer ziehst du dir das rein, es ist wie Rock'n'Roll. Es ist Unterhaltung, die im besten Falle eine Erinnerung hinterlässt, so wie ein guter Witz in Erinnerung bleibt. Und wie ein Punk-Rocker der 80er Jahre fordert Jebsen seine Zuhörer auf, eigene Gedanken zu entwickeln, sich zu solidarisieren in andere Länder zu reisen und dort Menschen kennen zu lernen. Die Aufforderung an seine Zuhörer das Gesagte zu reflektieren, nachzulesen und zu prüfen ist bei Jebsen ein immer wiederkehrendes Motiv.
Aufforderungen, wie den Wahlen fern zu bleiben, sich nicht in Parteien zu engagieren, finde ich suspekt. Aber Jebsen begründet seinen Standpunkt damit, das dieses Parteien-System Menschen in Macht-Positionen bringe und Macht würde korrumpieren - so als hätte es niemals redlich arbeitende Politiker oder Manager gegeben. Diese Haltung ist Cool, wenn du im Konzertsaal bist und das Riff gerade mal etwas schräg anmutet. Es verklingt, wie die Worte Jebsens verklingen könnten, aber tatsächlich nicht verklingen werden. Denn sie verstärken eine Tendenz, die beim Zuhörer schon da ist. Viele sind angewidert vom Politik-Betrieb, fühlen sich verarscht und haben das Gefühl mit ihrer Stimme bei Wahlen nix ändern zu können. Jebsen nutzt dies. Er weiß das jede Stimme die abgegeben wird, eine Stimme fürs Polit-System ist. Wer gegen das etablierte Polit-System ist, der geht nicht wählen. Schwächt damit die bürgerliche Mitte und stärkt die radikalen Ränder.
Im Gegensatz dazu ging es den Radikalen Demagogen in der Weimarer Republik darum, möglichst viele Leute für Wahlen zu mobilisieren. Der Jebsen-Effekt bei aktuell anstehenden Wahlen wäre eine künstliche Verstärkung radikaler Positionen im Parlament durch herbeigeredete Schwächung der Stimmen-Anteile für die Volksparteien.
Aber warum wettern gerade die Links gestrickten Blogger und Foren-Schreiber so arg gegen Jebsen. Ich denke es geht dabei um eine Zielgruppe - die Frustrierten und Unzufriedenen -  die Jebsen unterhält, und die die Linke für ihre Ziele mobilisieren will.
Mittlerweile inszeniert Jebsen Montagsdemos in Berlin vor dem Brandenburger Tor. Gestern gab es die Dritte Montagsdemo vor einigen hundert Zuhörern und er sprach von "wenn wir mehr werden wollen...", "freiwilliges Engagement..." usw. Auch in dieser gestrigen Rede erinnerte er an Rudi Dutschke, Jebsen ordnete sich links von Trittin ein, inszenierte ein Sit-In und wie Jimi Hendrix der einmal zum Höhepunkt seiner Show die Gitarre auf dem Rücken liegend spielte, so sprach Jebsen einige Sätze auf dem Rücken liegend ins Mikro. Er erinnerte wie immer die Zuhörer daran dass jeder seinen eigenen Kopf für eigene Gedankengänge hat und dies auch für Fotos gelte. "Bitte keine Ken-und-ich-Fotos anfragen." Er wolle, nach der Veranstaltung einfach verschwinden. Was fehlte waren schrille Angriffe auf Main-Stream-Medien. Wer die Nachdenkseiten kennt, dem hatte Ken Jebsen mit seiner Medienkritik nichts neues erzählt. Bei mir hatte seine Medienkritik allerdings einen gegenteiligen Effekt: Mir ist klar geworden, wie sehr ich objektive Berichterstattung im öffentlich Rechtlichen Rundfunk schätze. Hätten wir nur die privaten Sender, würde sehr viel fehlen und vieles bliebe unaufgeklärt.

Fazit

Ich denke KenFM ist eine gute Show. Du verplemperst keine Zeit wenn du die Themen kreativ aufgreifst und schaust was die Parteien und Politiker dazu so bieten und wer sonst noch dazu geschrieben oder gesprochen hat. Wenn du zur (Ziel)Gruppe der frustrierten und unzufriedenen gehörst kann kreatives Nachdenken dir helfen eine gewaltfreie Auseinandersetzung zu suchen. Die Montagsdemos greifen ein Bild aus der DDR-Vergangenheit auf, sind aber nicht viel mehr als ein Gig für einen Redner, der häufig so wirk als hätte er zu viel Kaffee getrunken. Schnelle Sprache für Menschen, die schnelle Zeiten erleben. Das ruhige Reflektieren musst du schon selbst erledigen. Ken Jebsen ist kein marxistischer Analyst, er arbeitet journalistisch und publiziert im Internet. Er versucht die Finanzierung über Crowdfunding zu realisieren. Er besetzt teilweise die gleichen Themen wie die Linke, was für muntere Diskussionen im Internet sorgt.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Windows Batch-Dateien mit Tastatur-Abfragen steuern

And every day the Ki greets you with another limerick

Kein Kommentar: Spiegel Online deaktiviert die Kommentare auf Google Plus