Immer auf Putin? Breite Kritik an Medien

In einem Clip beschäftigt sich der NDR mit der Kritik seiner Zuschauer an der Berichterstattung des Senders über die Krim Kriese. Im Video wird festgestellt, dass es nicht nur die öffentlich rechtlichen Sendeanstalten trifft, sondern alle Main-Stream Medien, abgefangen bei ARD bis Zeit sind alle dabei. Ausgemacht wird eine Protestwelle, die in viele Redaktionen schwappen würde. Teils unflätig, teils höflich beschweren sich Leser und Zuschauer über einseitige Berichterstattung. Warum?

  1. Von den Kritikern der Leit-Medien wird diesen vorgeworfen sie seien pro amerikanisch, die Sender würden Faschismus unterstützten. Außerdem gäbe es auch verschwörungs-theoretische Ansätze bei den Kritikern.
  2. Die Quantität und die Intensität mit der die Kritik aufschlägt gehe jedoch über das übliche Maß von rechten Spinnern und Verschwörungs-Theoretikern hinaus. In der Öffentlichkeit würde eine andere Meinung über Russland herrschen als dies insgesamt über die meisten Medien transportiert würde.
  3. Beim Thema Russland hat sich eine Kluft aufgetan, zwischen dem was viele Journalisten schreiben und dem was viele Deutsche denken.
  4. Ein Journalist unterstellt folgendes Motiv: "Sollen wir jetzt, nachdem wir Bulgarien und Rumänien in die EU aufgenommen haben auch noch die Hungerleider aus der Ukraine aufnehmen, die uns nicht nur Geld kosten, sondern auch noch einen Konflikt mit Russland."
  5. Eine andere Erklärung: Viele Menschen sähen die Bösen nicht mehr im Osten, sondern im Westen in Washington. NSA, Killer-Drohnen, Guantanamo, Abu-Ghuraib-Folterskandal. Sie sind so enttäuscht über die USA, dass sie Russland in Schutz nehmen.
  6. Vielleicht haben die Kritiker recht. Vielleicht ist die Berichterstattung tatsächlich einseitig. Hierzu wird Gabriele Krone-Schmalz (langjährige ARD-Korrespondentin in Moskau, mittlerweile Professorin für Journalistik) befragt. Sie gesteht Fehler im Sprachgebrauch zu. So sei die Bezeichnung "Annexion" für die Aktion auf der Krim völkerrechtlich falsch. Der Kommentar erklärt die Wortwahl, sie suggeriere Russland sei aggressiv. Russland sei Schuld. Ein weiterer Punkt sei, das die Krim-Bevölkerung in sehr großer Mehrheit für den Anschluss an die Krim gestimmt habe würde vernachlässigt. Frau Krone-Schmalz gesteht den Bürgern ein feineres Gerechtigskeits-Empfinden zu: Es könne nicht sein, dass wir das Selbstbestimmungsrecht einmal akzeptierten und ein anderes mal nicht akzeptieren. Beispiel Montenegro 90% stimmen für die EU - wird akzeptiert, Krim 97% stimmen für Russland - wird nicht akzeptiert. Im Kommentar wird ergänzt dass die immer gleiche Haltung gegen Putin in Talk Shows von den Bürgern bemerkt wurde. 
  7. Frau Krone-Schmalz weiter: Es gäbe viel zu kritisieren an Russland, aber es nur so zu sehen würde der augenblicklichen Situation nicht gerecht. Der Kommentar gesteht zu, das viele Menschen dies merken würden und dabei immer lauter werden und erinnert die Journalisten-Kollegen daran diese Stimmen aus dem Publikum ernst zu nehmen und Putins Argumente anzuhören, anstatt sie nur als Propaganda abzutun.

Kommentar

Nun, diese Anti-US-Haltung und großen und kleinen Verschwörungstheorien gibt es wirklich und zwar auf beiden Seiten des Atlantik. Die USA sind eine Föderation und ihre Institutionen werden dort mindestens so heftig diskutiert, wie hier die EU-Institutionen. Hinzu kommen Reste von ideologischem Hass auf den kapitalistischen Klassenfeind gegen alles was nur im entferntesten mit US-Kultur zu tun hat. Bei den Verschwörungstheoretikern gibt es diesseits und jenseits des Atlantik teilweise die gleichen Theorien. In Deutschland kommen ideologische Fundamente des Nationalsozialismus hinzu. Einmal, so wie es Jutta Dittfurth auf ihrer Facebook-Seite mit den Sprachbildern dargestellt hat, aber dann auch in Überschneidung mit linker anti-kapitalistischer Kritik und Antisemitismus zum Beispiel im Bild des Kraken, oder des Brunnenvergifters usw.
Der Punkt ist: Ein Journalist der diese Motive seinem kritischen Publikum nachweisen kann ist automatisch gerechtfertigt, weil er auf dem Sockel der Aufklärung steht, der aus einem übel stinkenden Sumpf von Antisemitismus, archaischen Glaubensbekenntnissen und nicht beweisbaren Verschwörungen hervorragt und von dem aus die journalistische Schreibe pure Worte der reinen Wahrheit und nichts als der Wahrheit sind. Der redlich arbeitende Journalist findet sich selbst nur allzu oft genau in dieser Situation - und er liebt es.

Kampagne?

Das Problem an dieser Argumentation ist nicht die Qualität der Kritik, sondern die Quantität. Bis zu einem gewissen Punkt dürfen Journalisten diese Kritik einfach ignorieren und wenn sich jemand aus der Zunft öffentlich rechtfertigen muss, kann er leicht eine Verschwörungstheorie, oder Antisemitismus oder ideologische Betonköpfigkeit nachweisen. Die Masse des Publikums wird ihm folgen.
Allerdings ist bei der Berichterstattung über Russland die Quantität gegen die Journalisten gerichtet. Viele Menschen haben die Fehler und Oberflächlichkeiten der Berichterstattung wahrgenommen. Damit haben sie die Berichterstattung als Kampagne empfunden. Das ist durchaus ein einzigartiges Phänomen, das ich so noch nie wahrgenommen habe, obwohl ich schon einige solcher Kampagnen bewusst erlebt habe. (Goldhagen-Debatte Mitte der 90er Jahre als ein junger Doktorand der ehrwürdigen Harvard-Universität einen auf Vernichtung gerichteten Antisemitismus tief in der deutschen Kultur verankert fand und dessen Theorie so manche Lebenslüge zerplatzen ließ - was natürlich nicht hingenommen werden konnte. Oder dann die Sozialschmarotzer-Kampagne in den Nuller Jahren um Hartz IV durchsetzen zu können.)

Wenn sich in diesen Leit-Medien nun gehäuft selbstkritische Artikel über eigene journalistische Fehler finden, ist das eine Kapitulation vor der Masse - und vielleicht die Einleitung zu sachlicher Arbeit auf dem Sockel der Aufklärung und der Wahrheit. Aber - vorausgesetzt es handelte sich um eine bewusst bestellte Kampagne - darf es auch als Eingeständnis der politischen Klasse interpretiert werden, die sich eingestehen musste, dass diese Masse nicht in den Krieg gehetzt werden konnte - und vielleicht ist Putin dann demnächst doch wieder Partner und nicht mehr Gegner - wohlgemerkt - vorausgesetzt ist, das tatsächlich eine Kampagne bestelle war und geliefert wurde.

Reale Probleme

So ein Separatisten-Problem, das jetzt in der Ukraine aufgekocht wurde, kann lange dauern. EU-Politiker wissen das sehr gut. Nordirland und Autonomie der Basken sind die berühmte Spitze des Eisbergs. Vielleicht hat jemand mal nachgerechnet wie teuer so etwas werden kann, wenn es da plötzlich eine weitere Terror-Organisation in Europa gibt, die für die Unabhängigkeit der Ost-Ukraine streitet. Klug wäre es jetzt dort eine Eindämmungs-Strategie zu fahren und die Probleme zu lösen bevor sich etwas festsetzt. Nun da klar ist, dass die Bevölkerung im Westen keinen Krieg akzeptiert, dürften sich die Damen und Herren aus Politik und Diplomatie etwas redlicher um Lösungen bemühen, als es bisher der Fall war.

Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst

Eins fehlt noch. Ich glaube nicht daran das Kriege so einfach entstehen und ich denke alle Kriegsgründe, die zu Anfang immer und immer wieder von der Propaganda wiederholt werden sind gelogen. Ich denke es geht immer um irgendetwas Handfestes. Einen soliden Vorteil für die herrschende Klasse. Zu Anfang der Ukraine-Kriese war ich erstaunt so wenig aus den USA zu dieser Kriese zu hören. Die Obama Regierung bemühten sich doch in den letzten Monaten so sehr zu wesentlich mehr Freihandel (TTIP) und die USA könnten doch wieder Energieträger aus Eigenproduktion exportieren (Gas). So wie der "Krieg gegen den Torror" eigentlich ein Krieg um die Öl-Ressourcen und die Handelswege war, so war mir klar, dass es bei der Ukraine-Kiste auf keinen Fall um Völkerrecht, Demokratie oder so etwas ging. Es geht ums Gas und die auskömmlichen Wirtschaftsbeziehungen, die die EU mit Russland pflegt. Und dann kam das abgehörte "Fuck the EU! - Exactly!" Diplomaten Telefonat zwischen Victoria Nuland & Geoffrey Pyatt, das klar stellte welchen Stellenwert EU-Interessen in der US-Diplomatie genießen. Wenig später die Spekulationen wo denn dann demnächst unser Gas herkommen soll. Sicher aus einer gefrackten Quelle und wohl kaum mehr aus Russland. Vielleicht hat auch da mal jemand nachgerechnet, denn immerhin handelt es sich bei den Pipelines um Joint-Ventures zwischen russischen und deutschen Firmen. Und die Rechnung hört bei den Gas-Pipelines noch nicht auf. TTIP so erfuhr der geneigte Monitor-Zuschauer bringe nur 0,05 Prozent mehr Handel zwischen der EU und den USA. Könnte das den im Kriege gegen Russland erodierenden Ost-Handel kompensieren - wohl kaum!
Kurzum: Die US- und die EU-Interessen sind nicht deckungsgleich und dort wo sie im Widerspruch zueinander stehen, sollten diese Widersprüche offen angesprochen und ausgehandelt werden. Merkel und Steinmeier wirken da äußerst hilflos und das nicht nur in den großen Enttäuschungs-Themen mit den US-Partnern (NSA, Killer-Drohnen, Guantanamo, Abu-Ghuraib-Folterskandal). Sondern auch auf diplomatischem Parkett in Moskau - spätestens dann wenn da mal ein großer schwarzer Hund an der Kanzlerin schnuppert. Schröder machte da eine ganz andere Figur, sowohl beim Hund, als auch beim Krieg. Wir müssen uns eingestehen, dass wir von ziemlich unfähigen Politikern regiert werden. Je eher das die sogenannten Leit-Medien verstehen und je redlicher dort gearbeitet und kommentiert wird, desto größer sind die Chancen, dass wir relativ ungeschoren aus diesen Krisen und Kriegen rauskommen und zurück finden zu stabilen partnerschaftlichen Beziehungen zu den USA und zu Russland.

Materialien

Immer auf Putin? Breite Kritik an Medien
Fuck the EU
Freihandelsabkommen: Das Märchen vom Jobmotor








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