Ein Patt für die Revolution

Jutta Dittfurth gab den Autoren Sarah Buron und Patrick Spät ein Interview, das Telepolis veröffentlicht hat. Es lohnt sich das Interview zu lesen. Zwei Punkte allerdings lassen mich ratlos dastehen:
„Die vielbeschworene Rückkehr zur Sozialen Marktwirtschaft?“
De-Industrialisierung und Industrialisierung der Schwellenländer ist Teil von Globalisierung. Die Kosten zur für Arbeit + Transport der Güter waren seit den 1980er Jahren in diesen entfernten Ländern (Brasilien, China, …) günstiger als in den alten Industriestaaten. Das Auslagern der Werkbänke wurde von Konzernen in den USA erfunden, die europäischen Kapitalisten haben ein erfolgreiches US-Konzept kopiert. Zur Zeit geht es wieder darum einige Werkbänke zurückzuholen. Ich denke daher hat man in Deutschland Hartz IV eingeführt. Es erhöht die Bereitschaft der Arbeiter für nicht auskömmliche Löhne zu „arbeiten“ mittels Erpressung. "Arbeit" muss in diesem Kontext in Anführungszeichen gesetzt werden, denn das Produkt der Arbeit fällt in die Hände der Kapitalisten, der Arbeiter bekommt einen Betrag ausbezahlt, der gerade ausreicht um sich selbst zu erhalten. Eine Familie ernähren kann er davon nicht, also selbst für re-Generation reicht der Lohn seiner „Arbeit“ nicht. Ich verstehe unter Arbeit eine Tätigkeit die sich unter dem Strich so rechnet, dass ein Mensch seine Ziele erfüllt sieht. Davon ist Arbeitslohn (Mindestlohn) um den Faktor 15 entfernt. Der Arbeitsmarkt ist eine erpresserische Veranstaltung. Demokraten die sich mit dem Attribut "regierungsfähig" auszeichnen, und die den Rahmen für diese Veranstaltung Arbeitsmarkt liefern, werden schon frühzeitig von Parteien rekrutiert und sie denken sozialpolitisch in eine bestimmte Richtung. Damit erzählt Jutta Ditfurth nix neues. Spannender hätte ich eine Antwort auf die Frage "Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft?" gefunden, die erklärt, wieso die Parteibasis der SPD an diesen Rekruten des Turbokapitalismus festhält. Sie sagt dazu einfach nur das in dem Milieu das Klassenbewusstsein fehle. Dies ist allerdings keine Erklärung, sondern eine Tautologie. Wenn ein Zyniker behauptet, das zur Unterdrückung zwei Willensentscheidungen gehören, die eine zu Unterdrücken, die Andere unterdrückt zu werden, erklärt das mehr über die Betroffenen, die Hartz IV oder Mindestlohn erdulden, als mangelndes Klassenbewusstsein. Vor allem liefert es einen Punkt an dem Agitation ansetzen kann.
„Okay, und wie schaffen wir den Kapitalismus ab?“
Jutta Ditfurth ist hier zu arg die Theoretikerin. Deshalb verschweigt sie folgendes: Wir hatten die Chance 2008. Mit den Banken wären die maßgeblichen Kapitalisten Konkurs gegangen. Als Steinbrück und Merkel von Ackermann vor die Kameras geschickt wurden und blubberten „Wir haben in den Abgrund geschaut.... aber die deutschen Sparguthaben sind sicher....“. Genau da war der Zeitpunkt, zu dem es ein Tritt in den Arsch getan hätte und der Kapitalismus wären im Abgrund verschwunden. Nicht einen Cent hätten die Banken bekommen dürfen. Wer Pleite macht macht pleite und reiht sich beim Arbeitsamt ein. Das sind die Regeln der sozialen Marktwirtschaft. Der Kapitalismus stirbt an der Gier der Kapitalisten und nicht an irgendwelchen Theorien. Statt uns Bürger viermal abzuziehen, wäre ein geordneter Konkurs der Konzerne angesagt gewesen. Linke haben es versäumt zu mobilisieren, der Zeitpunkt war da. Statt dessen die vierfach Abzocke: 1. Staaten stopfen die Löcher bei den Banken, 2. die Banken spekulieren mit dem neuen Geld gegen einzelne Staaten, die sich u. a. durch die „Banken-Rettung“ überschuldet haben, 3. Reiche Staaten stopfen bei den Armen Ländern die Löcher, das Geld wandert sofort als Spekulationsgewinn in die Kassen der Banken und zu guter Letzt 4. die Entwertung der zuvor als sicher deklarierten Sparguthaben durch Inflation und Niedrigzinsen.
Also nochmnal – nicht wir schaffen den Kapitalismus ab, der Kapitalismus schafft sich selbst ab, nur braucht es zu gegebener Zeit, die gescheiten politischen Kräfte in den richtigen Positionen. Das führt wieder zurück zur Frage. Wieso ertragen die Wähler dieses Rekruten des Turbo-Kapitalismus als politisches Personal?
Ein Teil der Antwort mag darin liegen, dass sich die Menschen noch schlau machen müssen, bevor sie loslegen können eine Gesellschaft zu ändern. Und die Schlauen, dürfen die freiheitlichen Bedingungen die eine westliche Demokratie so bietet schon mal auskosten und weitgehend emanzipiert und selbstbestimmt leben. Im übrigen rät Jutta Ditfurth allen es diesen Schlauen gleich zu tun und sich mit klugen Leuten die in gleicher Weise ticken zu vernetzen. Das kann helfen, vor allem lässt der Zustand des Netzwerks Rückschlüsse auf die Kräfte zu, die auf eine Veränderung der kapitalistischen Verhältnisse hinwirken. Das Netzwerk ist so berechenbar wie es berechnend ist. Ein Patt für die Revolution.

Zum Schluss des Interviews wird das neue Buch „Der Baron, die Juden und die Nazis“ kurz vorgestellt. Ich denke mit diesem Buch ist Jutta Ditfurth ein wichtiges und sehr wahres Buch gelungen. Ich habe es als epub gelesen, und es ist tatsächlich das erste Buch das ich über Antisemitismus des deutschen Adels gelesen habe. In diesem Sinne hat es mich schlauer gemacht.

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