Gesetze gegen Fake News verschärfen ist das sinnvoll?

Heiko Maas, Volker Kauder und Norbert Lammert wollen Fake News im Internet bekämpfen. Sind ihre Vorschläge sinnvoll oder gibt es Besseres?

Um es gleich vorweg zu sagen: Hass-Propaganda und als Nachrichten getarnte Lügengeschichten mit verleumderischen Charakter (Fake News genannt) zu verbreiten, ist ein Straftatbestand nach §130 StGB, also gibt es da schon ein Verbot. Was aktuell diskutiert wird ist ein stärkeres Engagement der Verantwortlichen bei sozialen Netzwerken wie Facebook, G+, Twitter usw. beim Löschen von Hass-Propaganda und Lügen. Politiker aus CDU/CSU und SPD meinen es werde zu wenig und zu spät gelöscht, wollen ein bestimmtes Beschwerdeverfahren bei den Netzwerkbetreibern etabliert sehen und wollen hohe Strafen bei Verstößen festlegen.  "Das Bußgeld muss wirken und im Zweifel auch wehtun" wird Kauder zitiert. Heiko Maas will durch ein externes Monitoring die Löschpraxis von Facebook überprüfen lassen und gegebenenfalls nachjustieren. Bundestagspräsident Norbert Lammert legt bezüglich der Strafen noch eins drauf, indem er Mindeststrafen ins Gesetz schreiben lassen will, um so Richtern die Möglichkeit zu nehmen die Strafsachen wegen Unerheblichkeit gleich niederzuschlagen. Lammert zielt mit seinem Ruf nach Mindeststrafen auf die unmittelbaren Urheber von Hass- und Verleumdung, während Maas und Kauder die Betreiber der social Media Plattformen im Visier haben.

"Volksverhetzung" gegoogelt

Wenn du aktuell nach Volksverhetzung in den News googelst findest du ungefähr 54.500 Ergebnisse in 0,47 Sekunden. Dabei zeigt die erste Seite schon eine große Vielfalt anhängiger, entschiedener oder angezeigter Verfahren wegen Volksverhetzung. Mit dabei auch Fälle die über Facebook begangen wurden. Aber auch ein Aushang in einem Schaufenster, ein alter Radio-Star (Elmar Hörig, ebenfalls bei Facebook aktiv). Schaust du in die Artikel erfährst du das bei Facebook nicht nur die Hetzer aktiv sind, sondern auch Leute, die Hetze erkennen und sie zur Anzeige bringen
Kurzum § 130 StGB funktioniert. 
Dagegen kannst du das Engagement von Facebook etc. beim Löschen von Fake News nicht so leicht beurteilen. Hier mag Maas mit einem Monitoring der Löschpraxis weiter kommen. Er wird dann berichten. Aber warum härte Strafen oder gar Mindeststrafen?
Ganz einfach: Internetkampagnen wirken. Das zeigte schon 2008 die Yes-We-Can-Obama-Kampagne und bei Trump unterstellt man sogar Wahlkampf-Hilfe von Hacker aus Russland, die allein dafür verantwortlich war das Trump die Präsidentschaft gewinnen konnte.

Was lange gärt wird endlich Wut

Das was Maas, Kauder und Lammert vorschlagen, ist bildlich gesprochen der Wasserwerfer gegen vermeintlich irrational und feindlich gesinntes Publikum. Dabei hat die Entwicklung eine lange Vorgeschichte, an deren Ende Menschen stehen, die sich von der Politik nicht vertreten fühlen, die sich in den Artikeln der bürgerlichen Presse, des Rundfunks und der TV Sender als die Abgehängten und prekär lebenden Existenzen dargestellt finden. Looser, die es nicht besser verdienen.
Wenn du dich dort wiederfindest, wendest du dich von den etablierten Kanälen (Radio, TV, Tageszeitung) ab und findest im Netz tausende, die das gleiche tun. Alle mögen die Alternative für Deutschland und werden von den Facebook Algorithmen zum Verbleib auf dieser Domain animiert, indem ihnen laufend weitere Posts mit ähnlichem Zeugs präsentiert werden.
Hinzu kommt dann noch eine gewisse Wut, die andere Themen in den Hintergrund treten lassen. Und das unterscheidet schließlich dieses Publikum von durchschnittlichen Usern, die sich für sehr viele Dinge interessieren und konsumfreudig sind, weil sie es sich leisten können. Daniel Mack sieht hierin den Grund weshalb die AfD ein vielfaches der Likes einer SPD oder CDU hat. Seine Lösung sieht vor, dass sich Leute finden, die sich aktiv in Diskussionen aus der rechten Blase einklinken und dort etablierte Thesen vertreten und Lügen entlarven - kurzum den Frust runterfahren. Mack sieht das als Straßenwahlkampf im Internet, der Geld kostet, welches dort besser angelegt sei, als bei der Auflage von fünf weiteren Plakaten.
Was Mack vorschlägt ist ein Dagegen halten mit den gleichen Mitteln. Ich hätte da noch einen dritten Vorschlag: Wie wäre es denn mal mit selber denken bevor du etwas teilst?

Lass dich nicht verarschen: Die zehn besten Tipps gegen Lügen im Netz

Du findest auf Facebook eine aufregende Nachricht und willst wissen, ob die wahr oder gelogen ist. Wie gehst du vor?

  1. Finde heraus ob die Quelle seriös ist? Existiert die Zeitung, Zeitschrift, Buch, Website usw. und ist dort ein Impressum genannt, aus dem die Verantwortlichen klar hervorgehen und sind Ansprechpartner erreichbar.
    1. Was findet sich sonst noch auf der Seite? Sind dort offenkundig Falschmeldungen zu finden? oder Ist die interessante Nachricht eine von ganz wenigen - vielleicht sogar die einzige - Meldung auf der Seite?
  2. Der Postillion oder Eine Zeitung sind bekannte Satire-Seiten, täglich können neue erscheinen. Auch seriöse Zeitungen erlauben sich bisweilen einen (April) Scherz. Es darf gelacht, aber nichts sollte für bare Münze gehalten werden. Satire sollte ist immer kenntlich gemacht sein - irgendwo findest du sicher den Hinweis.
    In den USA gibt es zudem Sites, die mit erfundenen Geschichten Clicks und somit Werbe-Einnahmen bekommen wollen. Snopes hat eine Liste
  3. Was steht wirklich im Artikel. Überschriften und Teaser werden häufig reißerisch formuliert - ja auch seriöse Medien arbeiten so! Lies alles bevor du Like oder Share klickst.
  4. Woher stammt die Information ursprünglich. Es gibt Nachrichtenagenturen, wie afp, dpa, Reuters usw. die als Quellenangabe zunächst ok sind. Eine wahre Geschichte zeichnet sich in dem Falle dadurch aus, dass sie nicht exklusiv berichtet wird. Jemand der eigenes Zeugs zu diesen Quellen in einem Artikel notiert, verlinkt auf seine Quellen und belegt so die Fakten zu denen er sich äußert.
  5. Und wenn die Fakten auch belegt werden, so können sie doch falsch dargestellt sein, oder wichtige Zusatzinformationen könnten unterdrückt worden sein. Prüfe also auch diese Quellen, ebenso kritisch. Beliebt bei Online-Agitatoren sind zum Beispiel Uralt-Meldungen, die völlig irrelevant sind, weil sie keinen Bezug mehr haben zur aktuellen Lage. 
  6. Hoax, urban Legend? Sind Klassiker der Verarsche und weil es Klassiker sind, wirst du sie leicht googeln können. Verbreite sie nur gezielt weiter, z. B. an Leute die du nicht magst, denen du aber nicht ins Gesicht sagen willst, dass sie eigentlich den IQ eines Äffchens haben.
  7. Leaks müssen seriös recherchiert werden. Eine Meldung die sich ausschließlich auf nur einen Leak (gut informierte Kreise usw) bezieht und keine weiteren Recherchen dazu preisgibt kann eine interessante Quelle sein, wenn du den vermeintlichen Leak verbreiten willst, und niemand bisher dazu weiter recherchiert hat, solltest du damit anfangen. Wenn du das nicht kannst, dann warte ab, bis jemand soweit ist und die Meldung bestätigt oder eben nicht bestätigt.
  8. Fotos? Du kennst ja Photo-Shop. Damit ist schon alles gesagt. Photos können editiert werden wie Text. Außerdem können Fotos alt sein - ist ja nicht das erste Erdbeben, die erste Bombe, der erste Einsturz usw. Fotos können etwas ganz anderes als das behauptet darstellen. Schon der Fotograf beginnt mit den Einstellungen an seiner Kamera, dem Bildausschnitt, Belichtung, Zoom  usw. mit der Manipulation. 
  9. Clips? Obwohl täglich gigantische Mengen an Videomaterial auf YouTube hochgeladen wird (im Juli 2015 durchschnittlich 400 Stunden Videomaterial pro Minute), sind die Videos zu Aufreger- und Wutthemen häufig steinalt, du erkennst es eigentlich sofort, weil das Material total-verpixelt erscheint. Ist es aber nicht, die Cams von früher konnten es nicht besser. Auch wenn du auf aktuelles ARD oder ZDF Material stößt, das in mieser Qualität auf irgendwelchen YouTube Kanälen hochgeladen wurde solltest du beachten, dass es editiert oder mit gefälschtem Logo versehen worden sein könnte. Achte einfach auf die Fakten, versuche weitere Quellen zu finden. Auch bei Dokus oder Video Nachrichten sollten die ursprünglichen Quellen im Video oder im Begleittext genannt sein.
  10. Wenn du eine gelogene Meldung (Fake News) gefunden hast, interessieren sich bestimmt auch andere Leute für diese Tatsache. Notiere deinen Fund in den Kommentar dieser Meldung. Beachte bei Facebook und fast allen Plattformen gibt es weitere Möglichkeiten die Betreiber der Seiten auf bestimmte Posts aufmerksam zu machen, so dass diese später gelöscht werden können.

Quellen: 


  1. Verbreitung von Hasskommentaren soll bestraft werden
  2. "Müssen die Ersten morden, bevor wir aktiv werden?"
  3. Fürchtet euch nicht, "Freunde"
  4. Hinein in die Hass-Blase
  5. Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Zuckerberg
  6. Hereinspaziert, liebe Menschen
  7. Ermittlungen gegen 55-Jährige wegen erfundener Vergewaltigung
  8. Twitter will Nutzer besser vor Hass schützen
  9. Snopes' Field Guide to Fake News Sites and Hoax Purveyors
  10. So kann man Fake-Bilder entlarven
  11. Youtube Data Viewer von Amnesty International

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