Mit ein paar Klicks 7.650 Euro von zuhause aus verdienen

Schön wär's ja! Die Email mit dem tollen Online-Geschäftsmodell habe ich heute mittag erhalten und gerade gelesen - und ich denke ein Geschäftsmodell ist es nicht wirklich, eher eine Gaunerei bei der die Gier von durchschnittlichen Menschen ausgenutzt wird. Wie es aufgezogen ist und für welche Kreise es von Nutzen wäre, erzähle ich dir mit dieser Geschichte.

Vorspiel

Es ist schon einige Jahre her, da machte ich meine Freundin Sarah darauf aufmerksam, dass ihr gmail-Konto geheckt wurde. Ich war mir sicher, weil ich von ihrem Konto Spam bekam. "Ja du bist nicht der erste - ich kümmere mich darum." War ihr Kommentar.
Wahrscheinlich hatte sie sich wirklich darum gekümmert, denn nach einigen Spam Mails von ihrem Konto kehrte plötzlich wieder Ruhe ein.

Corpus delicti

Inzwischen haben wir Schluss gemacht und ich habe schon länger nichts mehr von ihr gehört. Da war es schon erstaunlich das ich heute eine Email von ihr bekam:
Hey peter
http://fhdeals.com/popular.php?section=deykk109f2dw7
Sarah 
Also der Link funktioniert und ich schaute mir die Seite an.
Quelle: http://fhdeals.com/popular.php?section=deykk109f2dw7
 Das Video startet sofort. Die nette blonde Frau im Bild erklärt, dass sie mit Derivate-Trades aus 300 Euro nun mehr als 5000 Euro gemacht hätte. Es sei ganz einfach. Und was sie zeigt sind ein paar Klicks auf einige grüne Knöpfe auf denen die Namen von US-Blue-Chips stehen. Dann zeigt sie noch wie sie das Volumen der Trades bestimmt - also wieviel Geld sie für jedes Spiel riskieren will. Die Trades sind auf eine Stunde terminiert - danach würden sie verfallen erklärt sie weiter. Und man dürfe nur die Papiere kaufen, wo der Button grün ist. Sie ist sich völlig sicher dass dahinter komplizierte Wertpapieranalysen stecken, von denen sie keine Ahnung hat. Nach den Trades verabschiedet sie sich kurz und meldet sich sogleich zurück. Inzwischen seien 60 Minuten vergangen, die Trades wurden abgerechent - Was soll ich sagen - knappe 300 Euro Gewinn hatte sie angeblich gemacht.

Wenn's zu schön ist um Wahr zu sein, dann ist es auch nicht wahr

Ein bisschen verstehe ich auch von Aktienalyse. Für derart kurze Trades kann nur ein Satz von Merkmalen in frage kommen, die gezeigt haben, dass sie in der Vergangenheit in mehr als 50 % der Fälle zu erfolgreichen Trades geführt haben. Und die Variablen ändern sich mit jeder Kursfestsetzung. Auf Ihrem Computer hätte ich eine Lichtorgel von grünen und roten Buttons erwartet - für ein Echtzeitsystem war da zu wenig Action. 
Bei den Analysemethoden deutet sie zudem Zeugs aus der Fundamental-Analyse an. Das ist für solche Trades völliger Quatsch - diese Daten ändern sich nicht in 60 Minuten.
Und schließlich das Wörtchen "verfallen". Klar viele Derivate haben klare Verfallstermine, oder andere Konditionen die einen Verfall herbeiführen. Und dann sind sie entweder etwas wert oder das eingesetzte Geld ist futsch. Nachschießen muss man meistens nicht - das würde auch viele Leute einfach überfordern.
"Verfallen" ist also mindestens zweideutig. Verfallen tatsächlich die Papiere, oder werden sie einfach nur eine Stunde gehalten und dann wieder verkauft - egal was wie sich ihr Wert geändert hat?
Klar ist, ein großer Spieler an der Börse kann die Informationen aus dem Spiel nutzen um das Geld das die kleinen Spieler abgegeben haben, einzusammeln.
Wenn er auf einem Haufen Schrott-Papiere sitzt, der bis zum Verfallstermin in 60 Minuten kaum eine Chance hat ins Geld zu laufen ist es sehr angenehm für ihn, dieses Zeugs an all die kleinen Spieler zu verkaufen - er wird seinen Müll los und die vielen ahnungslose Zocker ihr Geld zum Spielen.
Wenn das Zeugs einfach nur über 60 Minuten gehalten wird, währenddessen eine Kursentwicklung eintritt, welche die Derivate verfallen lässt, so kann er auch dies gegen die ahnungslosen Spieler einsetzen, indem er einfach die Gegenposition kauft und zwar in genau dem nötigen Umfang, den es braucht um die Papiere der kleinen Spieler zu entwerten. 
Wie dem auch sei, jede Variante deutet auf ein Spiel mit gezinkten Karten hin.

Gezinkte Karten, aber wer hat eingeladen

Aus dem Video und dem Text geht nicht hervor dass es zwingend so sein muss - natürlich kann am anderen Ende der Leitung jemand sitzen, der brav die Trades abrechnet. Aber dann müsste sich das System bald zu Tode laufen, denn die Börse ist ein Nullsummen-Spiel. Was der eine gewinnt stammt aus den Verlusten der anderen. Und als im September 2014 die Nachrichten-Dienste meldeten dass 5 Millionen Gmail-Adressen auf einem russischen Server geleakt wurden, war Google schnell mit dem Dementi.  Was auch sonst? Etwa zugeben: hallo Welt der mächtigste IT-Konzern wurde mal eben gehackt? ;-) 
Das mit dem Gmail-Hack kann man glauben oder auch nicht. Ich habe weitere Gründe an den Hack zu glauben. Meine Freundin war als goetzendaemmerung@gmail.com unterwegs. Die freundliche Einladung zum Trading-Ringelpietz mit Abzocke kam von 
 
Quelle: Screenshot
Der echte Name ist so häufig, dass man damit eine Großstadt bevölkern könnte, aber der Email Alias ist schon einzigartig und bedarf einiger spezieller Kenntnisse und einer bestimmten Sichtweise auf die deutsche Kultur. Einzigartig - und ich kenne die Urheberin :-) Blöd nur das die Domain nicht stimmt. Es ist die Homepage eines Profi-Fotografen. robstimpson.com.
Es ist sehr unwahrscheinlich dass Rob seine Domain auch noch als Email-Server für alle Welt anbietet. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich dort jemand kurz mal eingenistet hat, um einige Mails an spezielle Gäste zu verschicken, die dieser Übeltäter vorher aus gehackten Gmail Konten compiliert hat. So eine Aktion dauert nicht lange und es ist unwahrscheinlich das es jemandem bei robstimpson.com auffällt. Zumal alle Konten nach der Aktion wieder gelöscht werden.
Und dann gibt es immerhin noch eine weitere Spur. Die Domain auf der die Webseite mit dem toll fabrizierten Video gehostet ist - da gibt es nicht nur http://fhdeals.com/popular.php?section=deykk109f2dw7  sondern auch http://www.fhdeals.com/florida/
Mal nachschauen mit whois fhadeal.com: http://whois.domaintools.com/fhdeals.com
Die Seite hat ja eine stolze Geschichte und scheint auf Schnäppchenjäger spezialisiert zu sein - flaming hot deal eben. 

Und?

An dieser Stelle ist die Recherche festgefahren. Ich könnte noch mit Rob und Sarah sprechen, aber die werden von den Vorgängen keine Ahnung haben. Interessant wären einige ehemalige Kunden dieser flaming hot deals, vielleicht war Abzocke schon immer das Geschäfts-Modell?
Fest steht, falls es eine Abzocke ist, braucht es mehrere Leute. Jemanden der einen ganz heißen Draht zur Börse hat und dort Kurse im nötigen Umfang bewegen kann, und jemanden der Webseites mit tollen Schnäppchen erstellt, schließlich noch eine Infrastruktur, bei der man mit ein wenig Insider-Wissen und glaubwürdigem Interesse die Daten gehackter eMail-Konten kaufen kann. Und dann müssen diese drei Leute sich auch noch finden und das Ding wie gerade erzählt aufziehen. Viele Wenns - jedoch kein Aber. Ich denke genau so war es.

Alles Quatsch, die ursprügliche "Karriere Journal" Geschichte stimmt? Meinst du das wirklich, na dann nix wie ran an die Buletten. Folge dem Link ganz oben, schau das Video und riskiere einige hundert Euro ;-) - der Tipp ist heiß.



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