Das Deutschland-Problem der EU

Grafik: Peter Benwar-Wagner
Arte.tv hat ein spannendes Interview mit dem Ökonomen Prof. Dr. Heiner Flassbeck. Er ist Kritiker der Austeritätspolitik und setzt sich in seinen zahlreichen analytischen Aufsätzen immer wieder für ein höheres Lohn-Niveau auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein - und argumentiert dabei so wie klassischerweise die Volkswirtschaftler von demokratischen Gewerkschaften argumentieren würden und dies weist ihn als Kritiker der herrschenden Wirtschaftspolitik aus. Hier eine Zusammenfassung der Punkte aus dem Arte-TV-Interview und einige persönliche Bemerkungen dazu.

Lohndumping

Im Euroraum betreibt Deutschland Lohndumping. Damit wird die Herstellung von Gütern in Deutschland billiger als in konkurrierenden EU-Staaten. Das sichert hier Arbeitsplätze und verhindert dass sich andere Staaten nach der Krise erholen können.

Gefahren

Obwohl die Griechen mit Syriza eine pro Europäische linke Regierung gewählt haben, sieht Heiner Flassbeck gefahren eines Rechtsrucks in Frankreich, Italien und Spanien - vor allem wenn sich die wirtschaftliche Lage verschlechtern sollte, was seiner Einschätzung nach wahrscheinlich ist. Für Spanien befürchtet er könnte Podemos im Dezember 2015 die Wahlen gewinnen. Allerdings ist Podemos mit nichten Anti-Europäisch und nicht nationalistisch, was im Interview nicht deutlich wird.

EZB

Dem jetzigen Boss, Mario Draghi unterstellt Flassbeck er habe sich von Deutschland in die Schranken weisen lassen. Deshalb würde er das deutsche Lohndumping nicht mehr kritisieren. Ich halte das für weit hergeholt, Draghi passt seine Argumentation seinen diversen Jobs an. Vor Jahren (1991 bis 2001) war er Generaldirektor des italienischen Finanzministeriums - so einer vertritt andere Interessen in Bezug auf die Reallohn-Entwicklung in Deutschland als ein EZB-Präsident. Deutschland sei nach Flassbeck für die niedrigen Zinsen in der EU verantwortlich, denn nur mit dieser Niedrig-Zins-Politik könne Draghi das wirtschaftliche Ungleichgewicht in der EU bekämpfen. Das wäre sicher ein starkes Argument, wenn Deutschland höhere Zinsen verpasst bekäme als Griechenland, Spanien, Frankreich und Italien, was aber nicht der Fall ist. So ist es nur ein relativ starkes Argument, da nur ein Anteil der Kostenvorteile einer Produktion in Deutschland durch die niedrigen Zinsen ausgeglichen wird.

10 Jahre lang 5 prozentige Lohnsteigerung für Deutschland

Das Interview folgt hier einer seltsamen Sichtweise. Ich denke die meisten Lohnempfänger in Deutschland würden dies bejubeln - im Interview wird dies eher als Bürde und Anstrengung interpretiert, an die sich die Deutschen erst gewöhnen müssten. Wie-auch-immer - gleichzeitig zu den Lohnsteigerungen in Deutschland müsste in den anderen Ländern - vor allem in Griechenland - gespart werden, um so den deutschen Wettbewerbsvorteil langsam aber sicher wieder auszugleichen. Die positiven Effekte wären eine starke Binnen-Nachfrage in Deutschland, die den zurückgehenden Export ausgleichen würde und die Zinsen würden auch wieder steigen, worüber sich alle freuen die brav für's Alter sparen.

Und?

Naja, das waren dann soweit die Punkte die im Interview vorkamen. Ich denke das mit den regelmäßigen Lohnsteigerungen über die nächsten 10 Jahre ist Wunschdenken. In Tarifverhandlungen schauen Gewerkschafter was am Markt durchsetzbar ist, und wie viele Kollegen wahrscheinlich durch zu hohe Lohnsteigerungen ihren Job verlieren werden. Das wird auch weiterhin zu eher moderaten Löhnen mit Inflations-Ausgleich führen. Heiner Flassbeck kritisiert in seinem Blog dieses Marktkonforme Verhalten häufig mit dem Vergleich "der Arbeitsmarkt sei nicht wie der Kartoffelmarkt". Insgeheim denke ich den Vergleich dann zu ende und stelle mir vor, wie schnell die Kartoffel dahin schimmeln würden, wenn man sie wie Hartz-IVler behandelte. Das macht klar, wie utopisch Preissteigerungen auf einem Käufer-Markt sind, vor allem wenn die Politik alles daran setzt die geschwächte Anbieter-Seite von Arbeitskraft weiter zu unterdrücken und massiv durch ihre Arbeitsmarktpolitik die Nachfrageposition nach wohlfeiler Arbeit unterstützt. Das geht hierzulande soweit das die Menschenrechte der betroffenen Arbeiter mit Füßen getreten werden. Ein Bedingungsloses Einkommen könnte die Menschenrechts-Situation in allen EU-Staaten verbessern, aber da steht Heiner Flassbeck leider auf der falschen Seite.

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