Tsipras lässt aufhorchen

Es sieht ganz so aus als hätten die Griechen letzten Sonntag nicht nur ihr Votum für eine gerechte Verteilung der Einkommen und Teilhabe an der Gesellschaft abgegeben, sondern auch für eine neue Farbe in der EU-Außenpolitik gesorgt. Immerhin machte der neue Regierungschef erst mal klar dass er sich nicht für weitere Sanktionen gegen Russland ausgesprochen hat.
Zur Erinnerung: Die EU hatte es versäumt bei ihren Assotierungs-Verträgen mit der Ukraine sich mit Russland abzustimmen. Damals 2010 machte Putin noch einen Vorschlag eines übergeordneten Freihandelsabkommens, nach der von Lissabon bis Wladiwostok eine große Freihandelszone entstanden wäre. Dies wurde jedoch von der EU abgelehnt. Was nicht nur ein diplomatischer Fehler war, und eine Abkehr der deutschen Außenpolitik von vorherigen Grundsätzen der deutschen Außenpolitik bedeutete, die seit Willy Brand neben einer diplomatischen Schiene immer auch eine ökonomische Schiene fuhr, wobei der Wachsende Außenhandel zum Wohle aller Menschen in Europa war. Die klare Stellungnahme gegen eine eurasische Freihandelszone und die bilateralen Verhandlungen mit ehemaligen Satellitenstaaten des Sowjet-Imperiums (es geht nicht nur um die Ukraine) waren klar gegen Russlands Interessen gerichtet und deuten so etwas wie einen neuen Eisernen Vorhang an, der diesmal an der Russischen Grenze verläuft und vom Westen (EU und NATO) aufgezogen wird.
Bedenkt man den Nutzen für Wachstum und Wohlstand, den eine eurasische Freihandelszone mit sich bringen würde und versucht zu verstehen, was es eine längere Phase von Kriegen an den EU-Außengrenzen bedeutet und wer der einsame Gewinner dieser Kriegs-Situation ist, wird schnell klar, das hier eine Spaltung der Interessenlage der NATO-Staaten vorliegt. Die Europäer können nur gewinnen, wenn an Europas Grenzen Frieden und über Europas Grenzen hinaus ein Freier Handel prosperierende Völker vereint, amerikanischen Konzernen hingegen würde Marktdominanz abhanden kommen, mittelfristig vielleicht sogar das Energiegeschäft in Europa wegbrechen - falls die Energie-Wende erfolgreich durchgezogen wird und in Europa Nachahmer fände. Kein Wunder dass die US-Regierung alles daran setzt, dieser Situation zuvor zu kommen, indem sie eine (künstliche?) Verlängerung des kalten Krieges zelebriert.
Aber zurück zum neuen Farbtupfer in Europas Außenpolitik. Dem griechischen Regierungschef Tsipras stehen schwere Verhandlungen mit der EU-Kommission sowie den Geberländern bevor, wenn er seine Wahlversprechen auch nur annähernd einlösen will. Griechenland bleibt auf EU-Transfers angewiesen, um die Schulden, die es bei Banken hat, bedienen zu können. Mit dem neuen Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen hat die EZB letzte Woche schon Unterstützung an der Zinsfront signalisiert, so dass neue Kredite und Umschuldungen bis 2016 zu erträglichen Zinsen ausgehandelt werden können.
Aber es ist ja nicht nur EU-Geld das nach Anlage sucht, Russen und Chinesen suchen ebenfalls nach Möglichkeiten ihr Geld lukrativ zu investieren. Grichenland hingegen braucht Investoren, denn um kreditwürdig zu bleiben benötigt das Land Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung. Das kann nur über neue Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen gelingen, die sich in dem Land ansiedeln und für eine prosperierende Wirtschaft sorgen. Sollte es Tsipras gelingen, den Filz von griechischer Oberschicht mit staatlichen und ökonomischen Strukturen zu entwirren, könnte ein neues Investitionsklima in Griechenland entstehen, das genau diese ausländischen Investoren anlockt, die das Land dringend braucht.
Und zuletzt: Gernot Erler - Russlandbeauftragter der Bundesregierung - bedauerte im Interview mit dem ARD-Morgenmagazin dass Ausbrechen Griechenlands aus der EU-Einigkeit in der Außenpolitik gegen Russland. Dieses Bedauern schillert in verschiedenen Farben. Einerseits ist klar das Tsipras etwas mehr auf den Verhandlungstisch legen kann als nur nette Versprechen, andererseits könnte sich hier ein beginnender Entfremdungs-Prozess andeuten, der deutsche und griechische Positionen weiter auseinander treibt.

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