Arbeiten mit emotionaler Erfüllung

Alles was wir Menschen unternehmen ist mit Gefühlen verbunden. Die Tätigkeiten, die wir zum Erwerb des Lebensunterhaltes unternehmen machen da keine Ausnahmen. Arbeiten ist zweifellos mit Gefühlen verbunden, aber welche Gefühle sind es und wie haben sie sich im Laufe des letzten Jahrhunderts verändert? Die Historikerin Sabine Donauer ging in ihrer Dissertation diesen Fragen nach.

Demnach versuchten Firmen es in den Jahren zwischen 1900 und 1925 mit "Psycho-Technik" den Klagen der Industriearbeiter über schlechte Arbeitsbedingungen mit wissenschaftlichen Methoden entgegen zu treten. Psycho-Technik bezog sich dabei auf die körperlichen Energiereservoirs der Arbeiter. Es galt Überbeanspruchungen der verfügbaren Energiemenge zu vermeiden und damit negativen Gefühlen und physische und psychische Krankheiten entgegenzutreten. Nicht zu letzt ging es vor allem darum Arbeitskämpfe und damit Produktionsausfälle zu vermeiden.

In den 1920er Jahren ging man dazu über, die Motivation der Angestellten zu steigern, indem man Wert legte auf "Liebe zum Beruf" und das "Interesse der Angestellten am Geschäft" weckte. Anstatt die Zügel straff zu spannen, sollten aufmunternde Worte und gelegentliche Anerkennung die Motivation der Angestellten steigern. Motivation steigern muss hier so verstanden werden, dass die Kosten gesenkt werden sollten, die durch Sabotage, hohe Fluktuation und "widerständige Bummelei" regelmäßig entstanden. Zu dieser Zeit entstand das Wort "Mitarbeiter". Den Mitarbeitern war der Betrieb Lebensraum und sie sollten sich in der Betriebs-Familie wohlfühlen können. Blumen auf den Fensterbänken und Musik in den Hallen, firmeneigene Kaufhäuser, Erholungsheime und Werkswohnungen zeichneten diese Phase aus.

In den 30er und 40er Jahren sieht Donauer viele Kontinuitäten zur Weimarer Republik. Der Übergang in die Nazi-Diktatur sei auf diesem Gebiet keine eindeutige Zäsur gewesen. Im Programm "Schönheit der Arbeit" hätten die Nationalsozialisten viel Geld in die Ausstattung der Fabriken gesteckt. Sportanlagen, Parkanlagen, betriebliche Kaufhäuser und Wohnanlagen wurden gefördert. All dies sollte dazu führen, dass sich die Arbeiter nicht mehr emotional abwenden von der Fabrik, sondern sich zu gehörig fühlen und als Menschen angenommen fühlen. Mit Beginn des zweiten Weltkrieges überlegte sich der Nationalsozialismus etwas neues und beginnt psychotherapeutisches Wissen nachzufragen, um der sinkenden Motivation bedingt durch den Krieg aufrecht zu erhalten. Vorarbeiter und Meister wurden geschult um empfindsamer mit den Mitarbeitern umzugehen, damit die Arbeitsmoral nicht komplett im Krieg absackte. 

Dies setzte die Grundlagen für den Human-Relations-Ansatz in den 1950er Jahren, in dem vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen im Betrieb verbessert werden sollten. Bei den psychologischen Schulungen der Vorgesetzten war das Lernziel zur Überzeugung zu gelangen, dass negative Gefühle ihre Wurzeln in gestörten biographischen Entwicklungen hätten.  "Wer über seinen Betrieb verärgert war, musste sich ab diesem Zeitpunkt unterstellen lassen, er übertrage ungelöste biographische Konflikte unprofessionell auf sein Arbeitsumfeld" so Donauer.

Die Human-Ressources-Schule kam in den 1970er Jahren auf und ist bis heute aktuell geblieben. Hierbei gibt die Aufgabe und das eigenverantwortliche Arbeiten den Mitarbeitern ihre Motivation. Der Human-Resources-Ansatz verheißt den Betrieben, das das Gehalt keine wichtige Quelle für die Arbeitsmotivation sei. Daher könne Mehrarbeit erreicht werden, ohne höhere Gehälter zahlen zu müssen, was die Produktivität enorm steigert. "Als Folge dieser Entwicklung stagnieren die Reallöhne seit den 1970er Jahren und sind teils sogar gesunken, obwohl sich die Produktivität der Mitarbeiter pro Arbeitsstunde allein zwischen 1991 und 2012 verdoppelt hat" kritisiert Donauer.

Für Top-Manager ist eigenverantwortliches Handeln nicht genug, denn sie sehen sich dermaßen stark mit Aufgaben und Verantwortung belastet, dass sie gerade hieraus Argumente für extrem gestiegene Manager-Gehälter fordern und auch bekommen.

Der Mitarbeiter hat gelernt und verinnerlicht, dass die Übernahme zusätzlicher Verantwortung und Aufgaben eine positive Herausfordung ist und so Anerkennung schafft und eine Chance zur Persönlichkeits-Entwicklung darstellt. Damit begreift er die zusätzliche Belastung als emotionale Entlohng. Der Topmanager rechtfertigt seine enormen Gehaltszuwächse gerade mit dieser zusätzlichen Belastung.

Donauer empfiehlt Unternehmen, ihre Verantwortung den Arbeitnehmer gegenüber besser wahrzunehmen und höhere Gehälter zu zahlen anstelle von gefühlsdusliger Rhetorik. Arbeitnehmern gibt sie den Rat, ihr eigenes Verhältnis zur Erwerbsarbeit kritisch zu hinterfragen und über Fragen nachzudenken wie:
  • Ist Selbstverwirklichung tatsächlich immer nur an den Beruf geknüpft?
  • Was sind alternative Quellen des Sinns und des individuellen wie gemeinschaftlichen Glückempfindens?
  • Kann man positive Gefühle tatsächlich nur aus einem "Schneller, Höher, Weiter" ziehen?

Quellen

Die Historikerin Sabine Donauer arbeitet in ihrer Dissertation die Geschichte der "Arbeitsgefühle" im 20. Jahrhundert auf. Der Radiosender WDR 5 produzierte eine 25 minütige Redezeit mit Sabine Donauer über das Thema. Die Sendung ist für begrenzte Zeit als MP3-Download verlinkt. Im Video stellt die Körber-Stifung die Preisträgerin des Deutschen Studienpreises 2014 und ihre zentralen Thesen auf YouTube vor. Zusätzlich verlinkt die Körber-Stiftung zwei PDF zur Arbeit:

  1. Zwischen Plackerei und Selbstverwirklichung – Die Geschichte der »Arbeitsgefühle« im 20. Jahrhundert
  2. Dr. Sabine Christina Donauer: „Mit Leidenschaft bei der Sache“ - Die Geschichte der ‚Arbeitsgefühle‘ im 20. Jahrhundert





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